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Interview mit Olaf Brill zur STELLARIS 83, der Sonderstory zu 60 Jahre PERRY RHODAN

Olaf Brill, PR-Autor und Redakteur der STELLARIS-Reihe verrät Roman Schleifer die Anspielungen innerhalb der Story und was man als Autor beachten sollte, falls man eine STELLARIS-Idee hat.

Titelgrafik STELLARIS 83 © Till Felix
Titelgrafik STELLARIS 83 © Till Felix

Olaf, mit der STELLARIS 83 springen wir zurück in die Anfänge des Solaren Imperiums und erleben ein Abenteuer der damaligen STELLARIS. Ich nehme an, der 60ste Geburtstag der PERRY RHODAN-Serie war Auslöser für diese Storyidee.

Genau! Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, mal auf einem früheren Raumschiff mit dem Namen STELLARIS in eine vergangene Zeitepoche zu springen. Denn wer sagt, dass die STELLARIS-Storys immer auf ein und demselben Raumschiff spielen müssen? Es gab doch bestimmt schon viele Schiffe mit diesem Namen.
Als mir auffiel, dass wir im PERRY RHODAN-Heft, das genau in der Jubiläumswoche erscheint, eine STELLARIS-Story haben würden, habe ich Klaus Frick vorgeschlagen, zum Jubiläum einmalig in die Zeit des Solaren Imperiums zurückzugehen. Er war sofort von der Idee begeistert, und ich hab dann natürlich selbst die Story geschrieben.

Eine STELLARIS-Story spielt ja zwangsläufig auch immer mindestens teilweise auf dem bekanntesten Frachtschiff der Perryversums. Wie war es für dich, nach deinen WEGA Bänden 3 und 5 wieder vom Zentralemonitor und vom Strukturkompensator zu schreiben?

So etwas macht mir immer Spaß! Mit der Miniserie TERMINUS sind wir schon in den »Schwarm«-Zyklus zurückgekehrt, in WEGA durfte ich eine Vergangenheitshandlung erzählen, die parallel zur Lösung des Galaktischen Rätsels im Wegasystem spielt, und nun habe ich mit dieser STELLARIS-Story noch mal das Solare Imperium besucht, in der Zeit des Robotregenten und der Konfrontation mit den Druuf, und natürlich der Zeit der Transitionsantriebe, Gazellen statt Space-Jets und des distanzierten »Sie« als Anrede. Damit gehe ich ja immer auch in die Zeit meiner ersten PERRY RHODAN-Leseerfahrungen zurück. Das ist natürlich mit einem besonderen Wohlgefühl verbunden.

Deine Story spielt im Jahr 2042. Rhodan hat ein Bündnis mit dem Robotregenten geschlossen, um gemeinsam gegen die Druuf vorzugehen, und ist gerade auf der Suche nach Wanderer, um seine zweite Zelldusche zu erhalten. Gab es aus dieser Zeit denn etwas Neues zu berichten?

Die PERRY RHODAN-Serie macht ja zwischen Band 49 und 50 ihren ersten größeren Zeitsprung vom Jahr 1984 ins Jahr 2040. In der ganzen Zeit zwischen den beiden Heften gilt die Erde als zerstört, und Rhodan errichtet in aller Heimlichkeit sein Solares Imperium, mit Dutzenden Kolonien im Weltraum und einer militärisch ausgerichteten Raumflotte.
Aber wie genau hat sich das Leben auf der Erde und die Raumfahrt der Terraner in der Zwischenzeit eigentlich entwickelt, mit all dieser neuen Arkonidentechnik, die Rhodan im Jahr 1971 auf die Erde gebracht hat?
Darüber musste ich mir mal ganz grundsätzlich Gedanken machen. Da die STELLARIS wie immer ein terranisches Handelsschiff sein sollte, habe ich mich vor allem gefragt, wie sich die terranische Handelsschifffahrt in diesen fast sechzig Jahren entwickelt hat. Gab es überhaupt privaten, kommerziellen Raumflug, wie wir es aus der aktuellen Handlungsgegenwart gewohnt sind, oder hat Rhodan alles der Solaren Flotte unterstellt?
Für die Antwort habe ich mir Hilfe geholt und im Vorfeld ein wenig mit den PERRY RHODAN-Experten Michael Thiesen und Rainer Nagel diskutiert. Die beiden kennen sich so gut aus, sie haben sofort entsprechende Textstellen in den ersten hundert Romanen aufgestöbert. Uns war auch sofort klar, dass keineswegs der ganze Handelsverkehr von der Solaren Flotte abgewickelt wurde. Das hätten sich die Menschen niemals eine so lange Zeit aufdrücken lassen!
Gleichwohl musste wohl jeder Einsatz terranischer Schiffe strengen Regeln unterliegen. Denn immerhin herrschte so etwas wie Kriegszustand: Es galt, die galaktische Position der Erde geheimzuhalten. So hatte ich gleich ein schönes allgemeines Bedrohungsszenario: Die STELLARIS ist ein privates Handelsschiff, das in einer Entfernung von nur 63 Lichtjahren zum Solsystem operiert. Aber die Galaxis war für Terraner zu dieser Zeit ein brandgefährlicher Ort!

In der Story thematisierst du Reisen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit und den daraus resultierenden Dilationsflug. Wie funktioniert das genau? Würde dich ein Dilationsflug reizen? Falls ja, wie weit in die Zukunft würdest du reisen?

Wir Science-Fiction- und Weltraumfans glauben ja, schon alles über Dilatationsflug und Einsteins Spezielle Relativitätstheorie zu wissen. Die meisten haben davon bestimmt in der Schulzeit gehört: Für Piloten vergehen nur ein paar Stunden oder Minuten, während draußen tausend Jahre vorbeifliegen. Viele Autoren haben diesen Effekt benutzt, um damit ihre Helden in die Zukunft zu katapultieren: Lem, Haldeman, Boulle, und auch in der PERRY RHODAN-Serie kam das ja das eine oder andere Mal vor. Ich empfehle Hartmut Kaspers großartigen Aufsatz dazu im dritten Band der LEMURIA-Taschenbuchserie.
Für diese STELLARIS-Story habe ich mir zum ersten Mal die Mühe gemacht, die Sache mit den relativistischen Effekten wirklich mal auszurechnen, und war verblüfft über die Ergebnisse: Wir denken ja gemeinhin, wir setzen uns einfach ins Raumschiff, beschleunigen schnell mal auf halbe Lichtgeschwindigkeit oder sogar auf neunzig Prozent … und schon vergehen tausend Jahre wie im Flug.
Aber das ist falsch. Zwar treten bei solchen Reisen sehr wohl bemerkenswerte relativistische Effekte auf – aber diese sind noch viel zu gering, um auf die Erzählung erheblichen Einfluss auszuüben. Wenn du dich zum Beispiel am 1. Januar in ein Raumschiff setzt und die ganze Zeit mit halber Lichtgeschwindigkeit fliegst, ist für dich erst Mitte November, wenn die Außenwelt schon Silvester feiert. Allein für diese Geschwindigkeit bräuchtest du aber schon eine riesige Menge Energie, und das Problem ist, dass der Energiebedarf nicht stetig, sondern exponential höher wird, je mehr du dich der Lichtgeschwindigkeit näherst – bei 1 LG wäre er unendlich.
Um aber eine Reise zu machen wie Vanderbilt in meiner Story, reicht keine halbe oder neunzig Prozent Lichtgeschwindigkeit. Vanderbilt braucht schon 0,999999 Licht … und mit jeder Nachkommastelle erhöht sich der Energiebedarf exponential! Das ist also fast unmöglich, zumal ja auch noch die zu bewegende Masse des Raumschiffs eine Rolle spielt.
In der PERRY RHODAN-Serie gibt es einen Trick, dem Energieproblem zu entgehen. Aber es entsteht ein anderes Problem. Beides wird in der Story geschildert, mit freundlicher Hilfe unseres Technik-Spezialisten Peter Dachgruber. Für die Realität aber habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet, dass Dilatationsreisen, wie sie in der Science Fiction geschildert werden, praktisch unmöglich sind. Wir müssen, wenn wir in die Zukunft wollen, tatsächlich eine Reise tun, die Hunderte oder Tausende Jahre dauert – vielleicht können das nur Roboter leisten.
Ob ich trotzdem von so einer Reise in die Zukunft träume? Welcher Science-Fiction-Fan täte das nicht! Wir interessieren uns doch auch deswegen alle für diese Art Literatur, weil wir gerne wissen wollen, wie es weitergeht, in hundert oder tausend Jahren. Ich denke, ich würde gerne ins Jahr 2000 reisen, um zu sehen, ob da endlich … oh, warte, das haben wir ja schon hinter uns! Sagen wir also, 20.000 oder 200.000 Jahre in die Zukunft, um nachzuschauen, was aus der Menschheit geworden ist, oder was nach ihr entstanden ist …

S.F. X. Vanderbilt hat seine Gazelle nach Jacques Futrelle, einem Schriftsteller benannt, der auf der TITANIC gestorben ist. Was steckt hinter der Namensgebung?

Zuerst hatte ich da etwas ganz anderes vor. Ich wollte in der Story auch noch die Frage beantworten, was denn aus einer prominenten Persönlichkeit unserer Realität geworden wäre, wenn Rhodan 1971 die Dritte Macht gegründet hätte. Ich hatte mir dafür den berühmten Physiker Richard Feynman ausgeguckt und mir vorgestellt, dass Feynman es bestimmt nicht ausgehalten hätte, wenn Rhodan in der Anfangszeit die Erde abgeriegelt und trotz Einführung all dieser tollen arkonidischen Technik den Raumflug für Zivilisten praktisch untersagt hätte. Das hatte ich mir alles schon genau überlegt: Feynmans Gazelle sollte ARLINE heißen (nach seiner ersten Frau), und sie wäre mit Feynman-Diagrammen bemalt gewesen. Das hat der historische Feynman tatsächlich so mit einem Transporter gemacht, mit dem er durch Amerika gefahren ist!
Dann merkte ich, dass all dies die Story überfrachtet hätte und auch dem echten Feynman nicht gerecht worden wäre. Also dachte ich mir eine eigene Figur aus, mit der ich machen konnte, was ich wollte. Dabei habe ich meinem superschlauen Wissenschaftler Vanderbilt eine besondere Verbindung zu dem Schriftsteller Jacques Futrelle gegeben, der ja einen claim to fame hat: Er hat den Detektiv Professor van Dusen erfunden, »die Denkmaschine«. Daher stammen auch die Buchstaben S. F. X. in Vanderbilts Vornamen. An einer Stelle lasse ich ihn sagen, man könne ja versuchen, seinem Namen die noch fehlenden Buchstaben des Alphabets hinzuzufügen. Das ist eine Anspielung auf Futrelles berühmteste Van-Dusen-Geschichte »Das Rätsel von Zelle 13«. Dort schreibt der Erzähler zu Beginn, van Dusen versuche genau dies durch Erlangung immer mehr akademischer Titel.
Wie es sich so ergab, fügte sich die Futrelle-Connection fabelhaft in die Geschichte: Futrelle stirbt 1912 auf der TITANIC, etwas über sechzig Jahre später startet Vanderbilt in Zeiten der Dritten Macht seinen Dilatationsflug. Und etwa weitere sechzig Jahre später kommt er in der Zeit des Solaren Imperiums an. Das ist, finde ich, ein schöner Zeitbogen!

Auch der Kapitän hat einen berühmten Namensvetter: Heinlein. Welche Anspielungen verstecken sich noch in den Figuren?

Mal sehen. Spaß gemacht hat mir der japanische Funker und Orter. Sein Name hat keine bestimmte Bedeutung. Aber ich habe einfach versucht, einen möglichst japanisch klingenden Namen zu finden – genau so, wie das in der Anfangszeit der PERRY RHODAN-Serie auch gemacht wurde. Es gibt ja die Anekdote, der Autor W. W. Shols habe ein japanisches Telefonbuch benutzt, um passende Namen für die PERRY RHODAN-Serie zu finden. Stilecht habe ich dann auch darauf verzichtet, den Namen auf japanische Weise anzuordnen, so wie wir es heute vielleicht machen würden: also zuerst den Familien-, dann den Vornamen. Sondern ich habe die Reihenfolge »verwestlicht«, so wie es auch Shols gemacht hat: erst Vor-, dann Nachname.
Und dann gibt es in der Story ja noch einen »Cheftechniker und Datenspezialist vom Dienst«, der ein Gehirn wie ein Computer und ein Gedächtnis wie ein Lexikon hat. Auf wen das anspielt, darauf sollten PERRY RHODAN-Fans der ersten Stunde von selbst kommen.

Bei der STELLARIS-Reihe steuern wir unaufhaltsam auf Folge 100 zu … was lässt du dir da einfallen?

Ja, wenn man Episode 83 einer Serie erreicht, dann denkt man automatisch schon an Episode 100, nicht wahr? Da wir im Jahr aber nur so fünf bis sieben STELLARIS-Storys veröffentlichen, ist das ja noch ein paar Jährchen hin! Wir haben also keine Eile, und zwischendurch viel Zeit, uns für das bevorstehende Jubiläum viele schöne Dinge auszudenken … Ich hätte schon einen Lieblingsautor, der die Story schreiben sollte. Aber vielleicht kommt alles in ein paar Jahren, wenn es so weit ist, auch ganz anders!

So ein Jubiläum verlangt ja förmlich nach einem Online Abend … ?

Machen wir! Wenn ich richtig rechne, im Jahr 2024 oder so.

Du bist nun auch schon einige Zeit STELLARIS-Redakteur. Was hast du für dich aus den vielen Stories mitgenommen?

Ich habe vor allem selbst viel über die Entwicklung und das Schreiben von Science-Fiction-Kurzgeschichten gelernt. Man hat mich ja engagiert, weil ich ein bisschen Erfahrung mit dem Schreiben habe und man mir diesen Job von Anfang an zugetraut hat. Aber nichts geht über die Erfahrung, die man in der stetigen Praxis sammelt!
Ich arbeite mit den Autorinnen und Autoren ja sehr intensiv zusammen und feile gemeinsam mit ihnen an den Geschichten. Dabei, so glaube ich, kommen am Ende immer bessere Geschichten heraus, als sie es am Anfang waren.

Welche persönliche Fähigkeit hat dir bei dem Job am meisten geholfen?

Den Unterschied zwischen guter und schlechter Schreibe zu erkennen. Und bereit zu sein, einen Text immer weiter zu verbessern. Ich hoffe, ich erwische bei der Überarbeitung jedes Mal den Punkt, das Manuskript so weit zu verbessern, wie es geht – und zu stoppen, bevor ich und der Autor oder die Autorin den Spaß daran verlieren.

Welche Idee war zu schräg für die STELLARIS-Reihe?

So genau kann ich das gar nicht sagen. Aber PERRY RHODAN hat traditionell ein Problem damit, wenn es »witzig« werden soll. Denn was der eine lustig findet, ist für den anderen nur öde und banal. Das geht von ganzen Storys, die mir eingereicht werden, und über die ich nur den Kopf schütteln kann, bis zu einzelnen Sprüchen oder Passagen, die man in den meisten Fällen besser einfach steichen kann.
Aber da muss man Fingerspitzengefühl beweisen: Wir wollen ja um Gottes Willen nicht jede Form von Humor eliminieren. Humor, richtig platziert und dosiert, ist natürlich etwas unbedingt erstrebenswertes. Aber das müsste eben auch wirklich gut gemacht sein, und das ist eine hohe Kunst! Es darf nicht erzwungen aussehen, sondern muss wirken wie mal eben so aus dem Handgelenk geschüttelt. Als erfahrener Autor weißt du sicherlich, dass es manchmal nichts Schwierigeres gibt, als etwas so aussehen zu lassen, als wäre es einfach leicht dahingeworfen.

Falls man eine Idee zu einer STELLARIS-Story hat, wie soll man offiziell vorgehen?

Am besten, man meldet sich bei mir und stellt die Idee kurz vor. Das dient dazu herauszufinden, ob sie mir gefällt und nicht bereits eine ähnliche Idee in Arbeit ist. Dann bekommt der angehende Autor von mir ein aktuelles STELLARIS-Datenblatt, wir feilen ein wenig am Kurzexposé, und dann gebe ich in der Regel recht schnell ein Go, die Story zu schreiben. Die ausgearbeitete Story ist dann die eigentliche Bewährungsprobe.
Das Schwierigste ist aber, die Story auch wirklich zu schreiben. Das ist eine bittersüße Erkenntnis aus meiner Erfahrung mit STELLARIS: Gute Ideen gibt es an jeder Ecke. Man muss aber auch in der Lage sein, sie umzusetzen. »Ich hab da eine tolle Idee für eine Geschichte, nur gerade keine Lust oder Zeit, sie zu schreiben« zählt nicht. Leider ist es in der Realität so: Ich gebe jede Menge Gos und höre dann nie wieder etwas vom angehenden Schreiberling. Wer also STELLARIS-Autor werden will, muss in erster Linie auch wirklich eine Story schreiben! Wie sonst sollte es funktionieren?

Was sollte man beachten, sofern man eine STELLARIS-Story einreichen möchte?

Sie sollte in den PERRY RHODAN-Kosmos passen und von »menschlichen« Charakteren erzählen, in die wir uns hineinversetzen und mit denen wir mitfiebern können (das können auch Außerirdische oder Roboter sein!). Die Story sollte eine dramatische Geschichte mit Anfang, Höhe- und Wendepunkten und einem passenden Ende erzählen, und idealerweise eine wirkliche Science-Fiction-Geschichte sein.
Ich versuche ja immer, mit meinen eigenen Storys vorzumachen, wie ich mir eine gute STELLARIS-Geschichte vorstelle. Schauen wir auf die aktuelle Story: Das Thema »Dilatationsflug« ist ein genuines Science-Fiction-Thema, das in keiner anderen Literatur vorkommen würde. Die Story konnte so auch nur im PERRY RHODAN-Universum und nur zu genau dieser Zeit im Solaren Imperium spielen. Da passt also alles zusammen. Und obwohl die Story keinerlei äußere Action enthält und größtenteils aus Dialogen besteht, sitzt der Leser hoffentlich nägelkauend da und will unbedingt wissen, wie alles weiter- und ausgeht.
Achtung: Der Ausflug in die Zeit des Solaren Imperiums war fürs Erste einmalig. Normalerweise spielen unsere Storys in der aktuellen Handlungszeit der PERRY RHODAN-Serie. Am besten bereitet man sich vor, indem man einige der letzten STELLARIS-Storys liest. Das ist ohnehin immer eine gute Idee!

Olaf, danke für deine Zeit.

Liste aller STELLARIS-Stories:
https://www.perrypedia.de/wiki/Stellaris_(Serie)

 

Interview mit Roman Schleifer zur STELLARIS 79 „Das Erbstück“

Uwe Anton revanchierte sich bei Roman Schleifer für die Interviewserie zum Mythos-Zyklus und stellte ihm einige Fragen zur STELLARIS 79. Unter anderem verrät der Wiener, warum er an einer Kurzgeschichte länger schreibt als an einem Roman und wie sich sein wahres Wesen in seinen Stories widerspiegelt.

 

UA: Roman, bist du der gekrönte oder ungekrönte König der STELLARIS? Ich beziehe mich auf die reine Zahl deiner diesbezüglichen Veröffentlichungen. So viele STELLARIS-Geschichten wie du hat sonst niemand geschrieben. Es dürften so um die 15 sein, die in den RHODAN-Heften veröffentlicht wurden. Liege ich da richtig?

RS: Bislang hat mir noch niemand eine Krone überreicht, daher der *ungekrönte* König. Allerdings habe ich nur deshalb die meisten STELLARIS-Stories geschrieben, weil sich Hartmut Kasper aus dem STELLARIS-Team zurückgezogen hat. Wäre er noch aktiv, hätte er vermutlich schon weit über zwanzig Geschichten verfasst.

Hier die Statistik: https://www.perrypedia.de/wiki/Autorenstatistik_der_Stellaris-Serie

UA: Wenn das Wörtchen wenn nicht wär … Was macht für dich den Unterschied zwischen einer Kurzgeschichte und einem Roman aus, ganz zu schweigen von einer Romanserie mit 3102 Folgen?

RS: Ich brauche für eine Kurzgeschichte länger als du für eine Erstauflage-Roman. Warum? Weil ich keinen Abgabeschluss habe und mir so viel Zeit mit der Konzeption lassen kann, wie ich möchte. Und beim Schreiben bin ich Perfektionist – ich konzipiere eine Story so lange, bis ich sie dramaturgisch nicht mehr steigern und annehmen kann, dass meine Testleser auch nichts mehr finden.

UA: Mit anderen Worten, du trödelst also herum. Bist du ein Anhänger der Kurzform? Oder unterwirfst du dich eher den Sachzwängen? Für einen PERRY RHODAN braucht man schon ein paar Tage oder Wochen, eine Kurzgeschichte schreibt man wesentlich schneller.

RS: Ich trenne zwischen der Konzeption einer Kurzgeschichte und dem Schreiben nach der Konzeption. Bei 5000 Zeichen am Tag (oder 1,5 bis 2 Stunden Schreibzeit) braucht man etwa sieben Tage, bis sie fertig ist. Davor konzipiere ich manchmal auch drei Monate, weil ich das nur in einem kleinen Zeitfenster machen kann. Es gibt ja noch anderes zu tun – Hauptjob, Familie und so weiter.

UA: Eine Kurzgeschichte setzt völlig andere Akzente als ein Roman. Was macht für dich den Reiz einer Story aus? Du kannst in STELLARIS ja nur Schlaglichter werfen …

RS: Ich konzipiere eine Kurzgeschichte wie einen Roman. Die Plot Points sind bei beiden gleich, nur kann ich halt nicht alles ausufernd beschreiben, sondern pro Plot Point eine Szene. Eine Kurzgeschichte ist die Verdichtung eines Romans. Und in der Summe ist sie dann doch schneller geschrieben als ein Roman …

UA: Erkläre uns bitte mal, was du mit „Plot Point“ meinst. Das hört sich ja verdächtig nach Schreibratgebern an. Bist du ein Fan von Schreibanleitungen?

RS: Ich bin ein Fan von Dingen, die funktionieren. Und keine gute Story kommt ohne Plot Points aus. In jeder Story gibt es bestimmte Stellen, die sich gleichen. Zuerst zeigt man den Held in seiner normalen Umgebung. Dann passiert etwas, was diese normale Welt zerstört, der auslösende Moment. Da der Held seine normale Welt wieder zurückhaben möchte, ergibt das sein Ziel oder Want etc.
Aber was erzähle ich da jemandem, der in all seinen Romanen immer 10 Kapitel verwendet …

UA: Siehst du es als Vorteil an, dass du dich in den STELLARIS-Geschichten in einem genau definierten Universum bewegen kannst, ohne dem eigentlichen Handlungsverlauf der Serie folgen zu müssen, oder engt dich das eher ein? Schließlich kannst du nicht mal eben die Menschheit untergehen lassen, wie du es neulich in einer Mars-Geschichte getan hast …

RS: Einerseits bin ich bei der STELLARIS freier, weil die Serienzwänge mich nicht betreffen, anderseits sind die Rahmenbedingungen des RHODAN-Kosmos natürlich einzuhalten. Und ja, bei Storys außerhalb von RHODAN gibt es natürlich keine Beschränkung.

UA: Bist du per se ein Anhänger der pointierten Kurzform, oder legst du bei deinen Stories eher Wert auf andere Dinge? Wichtige Merkmale einer Kurzgeschichte sind ja, dass sie keine ausführliche Vorstellung der Figuren oder des Handlungsortes vornimmt und sich auf wenige Figuren und auf ein zentrales Thema oder einen zentralen Konflikt beschränkt. Da bietet dir der vorgegebene STELLARIS-Umfang ganz andere Möglichkeiten

RS: Ach, weiß ich gar nicht. Ich möchte einfach eine gute Geschichte erzählen. Zum Beispiel ist doch das Aussehen der Figuren – sofern nicht handlungsrelevant – gleichgültig. Für den Leser ergibt sich ohnehin durch die Stimmung der Story und der Figur ein Aussehen. Die Figur muss in ein Dilemma hineinmanövriert werden und sich am Ende entscheiden. Das sind die Stories, die uns mitfiebern lassen.

UA: Wie sieht der Weg von der zündenden Idee bis zur Veröffentlichung aus? Schreibst du eine erste Fassung der Geschichte, die du an den STELLARIS-Redakteur Olaf Brill schickst, oder schickst du ihm eine Idee und wartest ab, bis er dir grünes Licht gibt?

RS: Ich habe entweder eine Idee oder ein Bild oder einfach nur einen Satz. Die Idee, die ich gerade gedanklich bearbeite, beginnt z. B. mit dem Satz „Mama ist jetzt mein Schutzengel, oder?“

Die aus der Idee erwachsende Story beginne ich mir gedanklich selbst zu erzählen. Ich lote das Leben des Protagonisten aus, überlege, wie seine Welt aussieht, und komme dann irgendwann zu einer gedanklichen Szenenabfolge. Das mache ich immer, wenn gerade mal Zeit ist, unter der Dusche, auf dem Weg in die Arbeit etc. Sobald ich gedanklich damit fertig bin, schnappe ich mir meine selbst erstellte Plotplanung-Datei und beantworte Fragen zum Plot. Danach folgt das Plotraster und die Szenenübersicht. Und wenn ich damit zufrieden bin, folgt das Schreiben an sich.

Olaf erhält ein Kurzexpo von etwa einer halben bis ganzen Seite, damit ich weiß, dass das Thema nicht bereits von einem anderen Autor belegt ist. Er gibt dann grünes Licht – unter dem Vorbehalt, dass die Story das hält, was das Expo verspricht.

Bei STELLARIS 79 zum Beispiel bin ich bei der Hälfte der Story falsch abgebogen. Olaf Brill meinte nach dem Lesen: „Roman, da passt was nicht.“ Und bei der Analyse bin ich dann darauf gekommen, wo der Hund begraben liegt. Also habe ich die Geschichte umgeschrieben, und dann war sie stimmig.

UA: Musst du oft auf Änderungswünsche eingehen?

RS: Schon einige Male. Der Redakteur hat ja die Aufgabe, durch seine Hinweise die Story besser zu machen. So habe ich z. B. bei STELLARIS 66 eine Szene neu geschrieben, weil Olaf einen besseren Vorschlag hatte.

UA: Deine neueste Geschichte, Das Erbstück in PERRY RHODAN 3102, ziert ein sehr schönes Titelbild des Schweizers Dominic Beyeler. Ich bin schon lange der Auffassung, dass es auch in PERRY RHODAN ein wenig menscheln muss, und Dominic hat das schön umgesetzt. Hast du irgendeinen Einfluss auf die Gestaltung der Titelillustration, oder bist du da völlig außen vor?

RS: Ich schicke dem Titelbildzeichner immer vier, fünf Vorschläge aus der Story, die ich für umsetzbar halte. Ich beschreibe dann das Bild, das ich vor Augen habe, und die Kameraposition. Meistens nehmen die Zeichner das auch auf.

UA: Die STELLARIS gibt es auch als ebook-Paket.

RS: Ja, sozusagen die gesammelten Werke.

UA: Von dir erschienen nicht nur in den RHODAN-Heften STELLARIS-Geschichten, sondern auch in der SOL, dem Magazin der PERRY RHODAN-Fanzentrale, und du hast zum AustriaCon 2016 sogar einen STELLARIS-Sammelband mit mehreren Geschichten veröffentlicht. Was hat es damit auf sich? Hast du diese Geschichten eigens für diese Publikationen geschrieben?

RS: Die STELLARIS-AustriaCon-Edition geht unfreiwillig ein wenig auf den ehemaligen STELLARIS-Redakteur Hartmut Kasper zurück. Drei Stories aus der AustriaCon-Edition hat Hartmut abgelehnt, weil sie für ihn nicht ins STELLARIS-Konzept gepasst haben. Da ich die Stories nicht auf meiner Festplatte versauern lassen wollte, bot sich eine AustriaCon-Editon an, zu der ich zwei neue Stories geschrieben habe. Die Edition ist im SpaceShop erhältlich:  http://www.prfz.de/weitere-publikationen/articles/perry-rhodan-edition-austriacon-2016.html

UA: Meine Damen und Herren, nach unserer Werbeeinblendung nun weitere Fragen. Roman, du schreibst nicht nur für STELLARIS, sondern auch für das Computermagazin c’t und das Exodus-Magazin. Bei letzterem hast du in Band 40 eine Mars-Story mit einer ziemlich bösen Wendung geschrieben. Da war ich im ersten Moment richtig sprachlos und verblüfft. Auch in c’t bringst du gelegentlich traurige Enden, in einschlägigen Schreiblehrbüchern „sad endings“ genannt. Hältst du dich bei RHODAN zurück? Zeigst du nur außerhalb der Serie dein wahres Wesen?

RS: Mein wahres Wesen … *ggg* Ich denke, dass das Ende einer Story bereits in der Story selbst liegt. Wobei ich als Autor natürlich eingreifen könnte. Ich suche schon bei der Konzeption nach einem ironischen Schluss, denn das Leben ist genau das. Ironisch und manchmal grausam.

Es gelingt mir nicht immer, und ich habe manchmal den Eindruck, dass die Menschen sich eher nach einem happy end als nach Realität sehnen. Was auch verständlich ist, denn das Leben ist anstrengend genug. Und ich lese, um abzuschalten. Abschalten kann ich in einer Welt, die nichts mit der Realität zu tun hat.

Andererseits … wenn ich an den Schluss von „NSA“ von Andreas Eschbach denke, hat dieses Ende das super Buch für mich noch erhöht. Aus der Metaebene betrachtet bin ich sicher von sad endings mehr fasziniert als von happy endings. Einfach, weil letztere für mich unrealistisch sind. Also ja, ich halte mich bei RHODAN zumeist zurück.

UA: In der „Raumschiff STELLARIS“-Facebook-Gruppe gibt es zu jeder STELLARIS eine Live-Lesung von Gerhard Huber. Wie geht es dir damit, dass du erlebst, wie ein Leser die Story wahrnimmt?

RS: Oh, das finde ich eine tolle Aktion von Gerhard. Als Autor erhält man ja selten Rückmeldung. Und bei der Live-Lesung liest man nach jeder Szene die Gedanken von Gerhard. Manchmal bin ich erstaunt, was er in den Text hineininterpretiert, woran widerum ich nicht gedacht habe. Wirklich eine spannende Sache und für alle Leser empfehlenswert. Auch im Vergleich zu den eigenen Gedanken und Empfindungen.

UA: Im Exodus Nr. 40 kommt deine Story gleich hinter der von Andreas Eschbach. Wie geht’s dir damit?

RS: Oh, da habe ich zuerst mal blöd geschaut. Ich in einem Magazin mit Andreas Eschbach? Coole Sache das ist. (Das Themen-Magazin mit den Marsstories gibt es hier: https://www.exodusmagazin.de/exodus-ausgaben/exodus-40.html)

UA: Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner ironischen und manchmal grausamen Fragen, Roman!

RS: So ironisch und grausam waren sie gar nicht. Immer wieder gern!

Stellaris 77 – Fragen an Gerhard Huber

Mit STELLARIS 77 schrieb Gerhard Huber seine zweite STELLARIS-Story. Er ist aber nicht nur Autor, sondern auch Zuständig für die Live-Leseberichte in der STELLARIS-Facebook-Gruppe. Da er verständlicherweise seine eigene Story nicht kommentierten möchte, bin ich ausgerückt und ausnahmsweise seinen Job zu übernehmen. Dabei entstanden Fragen zu den einzelnen Szenen zur STELLARIS 77 »Die Sehnsucht der Flechte«.

Datei:Stellaris77.jpg

Szene 1:
Oha … ein Oxtorner, der sich von einer Jülziish bezaubern lässt.
Gerhard, wie stehst du zum Thema »Erotik« auf und in der STELLARIS?

Tja, Erotik bei STELLARIS und PERRY. Das ist ein etwa so diffiziles und komplexes Thema wie eine PERRY-Verfilmung. Nein, im Ernst: Schreibtechnisch ist Erotik in meinen Augen ein schwieriges Terrain. Klar, wenn das in meiner Geschichte gepasst hätte, warum nicht. Bei bestimmten Themen, wie eben Erotik, ist es in meinen Augen schöner, bei Andeutungen zu bleiben. Im Fall des angesprochenen Oxtorners und der Jülziish soll es dem Leser überlassen bleiben, ob und was sich da entwickelt. Das hat nichts mit Prüderie zu tun, aber ich denke, dass es schwierig ist, eine erotische Szene gut und ansprechend zu schreiben, weil es schnell plump, banal oder schlichtweg peinlich oder dümmlich wirken kann. Ich kenne wenige Autoren, die das gut hinkriegen, denn ehrlich gesagt, sobald ich etwas lese von purpurbehelmten Lanzen, die in irgendwelche samtwarmen Grotten eindringen, dann bekomme ich Lachkrämpfe und fühle mich eher zu Ritterromanen inspiriert.

Das ist auch bei Horror- oder Gruselgeschichten so. Nichts dagegen, wenn Köpfe rollen und Blut spritzt, nur muss man das nicht ausschweifend beschreiben wegen des Effekts. Ich erinnere mich z.B. an die Schlussszene des Films »The Fog – Nebel des Grauens« von John Carpenter, da wird der Protagonist tomopatenwürdig enthauptet oder aufgeschlitzt. Man sieht eben nur wie das Schwert geschwungen wird und man hört ein ziemlich eindrückliches Geräusch mit dem zugleich der Abspann mit entsprechend gruseliger Musik einsetzt. Da spielt sich mehr Kopfkino ab, das ist wesentlich eindrücklicher, als das Blut spritzen und Köpfe rollen zu sehen. Und das kann man, abgesehen vom spritzenden Blut oder rollenden Köpfen, auch auf die Erotik übertragen.

Und ich stelle mir gerade die Frage: Was findet ein Oxtorner an einer Jülziish attraktiv?

Gute Frage, das müsste man einen Oxtorner fragen. Aber Deran deutet es an in meiner Story, er findet z.B. wohl Syipyrds blauen Flaum schön. Vielleicht wie ein Terraner eine spezielle Haarfarbe mag oder dergleichen. Hm, wir sollten Monkey fragen. Aber der wird wohl eher schweigen.

Und wären die beiden überhaupt kompatibel, sprich wie sehen die Kinder aus?

Warum nicht? Bei PERRY gab es schon verschiedenste, nun ja, Konstellationen. Und im Grunde braucht es doch keine Science Fiction für derlei Kompabilitäten. Wenn man sich so die Flora und Fauna unseres Planeten ansieht, dann gibt es da die unterschiedlichsten, ungewöhnlichsten und erstaunlichsten Dinge. Da ist die Fantasie eines Autors doch nur ein kleines Licht im Vergleich zur Natur.

 Und wie haben ein Jülziish-Leichtgewicht und ein Oxtorner-Schwergewicht eigentlich Sex?

Tja, da ich dergleichen, siehe oben, nicht beschreiben würde, sollten wir diese Frage vielleicht auch einer Jülziish oder einem Oxtorner stellen. Wir brauchen wohl mal eine Hyperfunkverbindung mit Monkey. Vielleicht hat er mit der eher leichtgewichtigen Zemina Paath inzwischen mehr, nun ja, Erfahrung gesammelt ?

Wie kann ein Wesen von der Gestalt eines Okrills in einem Wasserabfluss verschwinden?

Ich würde sagen: ganz einfach. Achtung Spoiler: Es stellt sich ja später raus, dass das Wesen sich amöbenartig verwandeln kann, es »verflüssigt« sich quasi und fließt dann ab, passt auch in die Versorgungsleitungen der STELLARIS und »schwimmt« sozusagen durchs Schiff. Es nimmt ja nur die Form eines Okrills u.a. an, verbleibt aber nicht so, ist amöbenartig wandelbar.

Szene 2:
So, jetzt bin ich erst mal überrascht, denn ich habe mit einer Lovestory zw. dem Oxtorner und der Jülziish und auch zumindest auf einen Erotikszene zwischen den beiden gehofft. Und jetzt ist es ein Krimi … nix gegen Krimis, aber meine Erwartungshaltung war eine andere …

Tja, ich mag es, Erwartungshaltungen zu zerstören, solang dabei aber dennoch unterhaltsame Texte daraus werden, die dem Leser hoffentlich zusagen.

Was denkst du? Kann ein Raumschiff zur Heimat werden, wenn man einen Planeten gewöhnt ist?

Warum nicht? Es müssen wohl gewisse Voraussetzungen gegeben sein. Genug Platz, passende Lebensbedingungen, künstliche Schwerkraft etc. In einem kleinen engen Spaceshuttle in ständiger Bedrohung, dass ein vorbeifliegender Asteroid die Hülle aufreißen könnte und es dann mit einem gemütlichen Leben schnell vorbei sein kann und dergleichen, da würde ich wohl kaum heimisch werden. Aber Raumschiffe wie man sie bei PERRY kennt oder Raumstationen wie aus »2001 – Odyssee im Weltraum« etc., warum nicht? Da merkt man ja im Grunde nicht, ob man sich in einem Raumschiff oder auf einem Planeten befindet. Zudem kann sich ein Mensch schnell an andere Lebensumstände anpassen oder gewöhnen. Das ist jetzt natürlich ein hinkender Vergleich zu der Relation Planet-Raumschiff, aber meine Frau und ich haben ein paar Jahre auf einer Insel gelebt, die nur mit einem Bahndamm mit dem Festland verbunden ist. Und die ersten Tage in der neuen Umgebung waren schon etwas gewöhnungsbedürftig. Nicht , dass man jetzt in Panik verfällt, aber die erste Zeit denkt man schon ab und an, na, falls jetzt ein Notfall eintritt, dann kommt man nicht so schnell aufs Festland z.B. Aber kurz darauf stehst du dann einfach in der Küche, zugegeben mit Blick aufs Meer, und machst den Abwasch, bist also ganz banal im Alltag angekommen.

Die beiden Myraner Cru und Sil sind die Ermittler. An Bord der STELLARIS gibt es ja viele Besatzungsmitglieder. Was war der Grund, dass du dich für die beiden entschieden hast?

Ohne zu viel verraten zu wollen: die Herkunft der beiden. Das ist Teil der Geschichte, von daher lag es nahe, vor allem auf Cru zu setzen. Und die Thematik Hoffnung, Heimweh und Sehnsucht spielen nicht zuletzt titelgebend eine gewisse Rolle. Passend zur Hoffnung ist die Farbe Grün auch eine Art Element der Story geworden. (Grünhäutige Wesen, grüne Desintegratorstrahlung etc.)

Szene 3:
Die vom Oxtorner angesprochenen Klischees – jeder Oxtorner hat einen  Okrill, alle Aras sind Mediker etc. – bringen mich zur Frage: Welche Klischees gibt es über RHODAN-Leser?

Da gab es doch vor einigen Jahren mal eine Umfrage, in der festgestellt wurde, dass der durchschnittliche PERRY-Leser soweit ich mich grob erinnere: männlich, in einem technischen Beruf und über 50 sei? Gut, wenn man das als Klischee nehmen möchte, aber ob es zutrifft? Ich bin ja beim Mannheimer PERRY-Stammtisch aktiv und wenn ich mir so unsere Besucher anschaue, dann trifft das teils durchaus zu, aber als repräsentativ oder gar Klischee würde ich es nicht bezeichnen. In den letzten Jahren habe ich zudem einige PERRY-Leser getroffen. Auch das Bild oder die Klischees des Nerds oder Geeks allgemein, aber in diesem Fall auch bei PERRY, hat sich doch stark gewandelt, ist nicht mehr unbedingt überhaupt ein Klischee wie es vor, sagen wir, 20 Jahren noch war. In gewisser Weise, Stichwort: »Altleser«, mag das Klischee der Umfrage schon irgendwie zutreffen, aber ich persönlich finde PERRY-Leser alles andere als klischeehaft, sondern reichlich unterschiedlich und individuell, aber eben mit der verbindenden Leidenschaft für PERRY, wie ausgeprägt die auch immer sein mag.

 Szene 4
Wieso sondern zerfallende Moleküle bei Desintegratorbeschuss grünen Staub ab … hm …?

Von Staub schreibe ich glaube ich nichts, es ist die Kristallschicht, die von Desintegratoren eben in ihre Moleküle zerlegt wird. Diese molekulare Auflösung leuchtet grünlich, wenn ich mich recht entsinne bei PERRY grundsätzlich. Warum grün oder warum das überhaupt leuchtet, da bin ich überfragt. Aber Desintegratoren kamen in der Serie doch recht früh zum Einsatz, so mal grob getippt doch bestimmt schon vor oder um Heft 50 rum? Das grüne Leuchten dürfte wohl eine »Erfindung« von Scheer oder Mahr sein? Oder vom jeweiligen Romanautor in dessen Heft ein Desintegrator erstmals zum Einsatz kam? Da müsste man mal einen PERRY-Kundigeren als mich befragen.

Szene 5
Auch nicht schlecht – in jeder Szene kommt eine neue Figur vor, nunmehr der Mediker. Wie leicht fällt es dir, in diese unterschiedlichen Rollen zu schlüpfen?

Ziemlich leicht. Versuch einer Erklärung: Es ist wohl so eine Mischung aus Beobachtungsgabe, Intuition, Einfühlungsvermögen, Fantasie und zudem Recherche. Natürlich betreibe ich nicht für jede Figur oder jeden Text denselben Aufwand, aber ich vergleiche es gern ungefähr mit dem Method Acting bei Schauspielern. Dustin Hoffmann hat in »Rain Man« beispielsweise einen Autisten gespielt. Es sei dahingestellt wie realistisch Hoffmann das hinbekommen hat, aber er hat wohl vor dem Dreh einige Zeit versucht wie ein Autist zu denken, zu sprechen, sich zu verhalten etc. Und durch derlei Recherche etc. versuche ich auch, einer Figur nahe zu kommen. Allerdings nicht mit derartigem Aufwand bzgl. Recherche oder Zeit wie ein Profischauspieler. Wobei, das könnte erklären, warum ich nach so langer Zeit erst wieder eine STELLARIS-Story geschrieben habe. Allein der Weg nach Myra zur Vorortrecherche und wieder zurück.

Eine Alge als Antagonist … wie gut kennst du dich im biologischen
Bereich aus?

Grundsätzliche interessiere ich mich sehr für naturwissenschaftliche Themen. Als Leistungskurse beim Abitur hatte ich Englisch und Biologie. Und auch wenn ich kein naturwissenschaftliches Studium absolviert habe, aber in meiner Studienzeit gab es doch die ein oder anderen Berührungspunkte. Von daher wage ich mal zu behaupten, dass ich ein halbwegs solides Grundwissen und ein klein wenig Spezialwissen im Bereich Biologie mir angeeignet habe. Die Idee mit der Flechte stammt sogar noch aus Leistungskurszeiten, denn da war die symbiotische Lebensform aus Pilz und Alge Thema. Und leuchtende Algenteppiche kenne ich aus eigener Anschauung von der Zeit auf obig erwähnter Insel. Das alles hat sich irgendwie eingeprägt und musste jetzt wohl mal zu einer Science Fiction-Lebensform werden. Apropos Grund- oder Spezialwissen, man könnte es auch Bonusantwort oder Besserwisserei nennen: Pilze sind nicht wie meist angenommen Pflanzen, sondern sind neben Pflanzen und Tieren ein eigenständiger dritter Bereich der sogenannten eukaryotischen Lebewesen. Wer jetzt nicht weiß, was eukaryotisch (auch: eukaryontisch) bedeutet, dessen naturwissenschaftliche Neugier möge ich nun geweckt haben.

Szene 6
Und erneut eine neue Figur. Ich denke, dass ist die STELLARIS-Story mit den größten Figurenensemble.

Das ist jetzt eigentlich keine Frage, aber ich versuche mal eine Antwort. Hm, ob größtes Figurenensemble, ich weiß nicht. Es gibt doch auch Geschichten, beispielsweise »Linearraum-Rhapsodie« von Michael Tinnefeld (Folge 75), wo gefühlt die gesamte STELLARIS-Besatzung in mancher Szene einem Pianisten lauscht. Und dann kommen noch Piraten dazu. Aber ich weiß, was Du meinst. Grundsätzlich ist es für Kurzgeschichten oder auch im Heftroman nicht üblich, abgesehen von ein paar wenigen oder nur einer Perspektivfigur, für den Leser noch weitere Figuren ins Spiel zu bringen.

Jede Figur muss dem Leser nahegebracht werden. Speziell in der SF, oder in dem Fall PERRY, kann man als Autor nicht voraussetzen, dass der Leser weiß, wie ein Oxtorner aussieht z.B. Andererseits ist mehr Personal auch abwechslungsreicher, es kann einer Story auch mehr Facetten, mehr Möglichkeiten geben. Du hattest ja meine Story weiter oben als Krimi eingeordnet. Ein Hercule Poirot ermittelt in der Regel allein, aber nehmen wir z.B. »Mord im Orient-Express«: Ein Ermittler, doch die Zugabteile sind nicht unbedingt leer. Agatha Christie hätte sich auch auf einen Ermittler, eine Leiche und den Mörder beschränken können, aber dann ist die Story witzlos. Man braucht auch Verdächtige oder »Anlaufstationen«, die dem Ermittler Hinweise geben z.B.

Michael Tinnefeld und ich hatten bei unserem PERRY-FanEdition-Roman »Die Heilerin von Hangay« ebenso ein unüblich großes Ensemble, was aber für die Story funktioniert hat. Abgesehen davon, dass wir bei der Einführung, Beschreibung mancher Figur etwas nachlässig waren für unbedarfte Leser. Aber für ein Planetenabenteuer, bei dem man ein Ensemble hat, das man mehr oder weniger unvorhersehbar für den Leser dezimieren kann, hat schon seinen schriftstellerischen Reiz! Siehe im heutigen TV-/Streaming-Erzählen beispielsweise »Game of Thrones«. Sehr großes Ensemble oder weißt du auf Anhieb, wer wann welche Intrige gegen wen ausheckt und wer wann wie überraschend gemeuchelt wurde, obwohl Hauptfigur? Da könnte man G.R.R. Martin auch vorwerfen, er hätte sich auf drei Hauptfiguren konzentrieren sollen. Aber derartiges Erzählen mit großem Ensemble hat im Grunde seine Wurzeln z.B. bei Shakespeare oder im Roman-Bereich bei Dostojewski, aber ich schweife gewaltig literaturwissenschaftlich ab. Und so nebenbei, bei dieser Art des Erzählens wäre nicht mal eine gewisse Weltraumratte sicher! Dann wäre der 23. Oktober nicht Gucky-Tag, sondern Gucky-Gedenk-Tag!

Szene 7
Hey, wo bleibt eine neue Figur?

Irgendwann muss auch mal gut sein.

Ein interessanter Twist, der auch erklärt, warum es ausgerechnet die beiden Ermittlern sind.

Danke! Die Lösung des Rätsels war quasi im Kern der Idee mit Myra als Ausgangspunkt so angelegt. Das war auf der einen Seite ein wenig knifflig, aber andererseits auch konsequent, denke ich.

Szene 8
Schöne Auflösung mit Happyend für den »Täter«. Was denkst du? Was ist Heimat?

Ja, Olaf habe ich nichts davon erzählt, aber ich hatte auch ein »alternatives Ende. Ein Vorschlag von Olaf war, dass der Sicherheitschef der STELLARIS das Wesen aufspüren könnte, fiele ja durchaus in seinen Kompetenzbereich. Na, siehe meine obigen Erläuterungen zu Blut spritzen und Köpfe rollen: ich könnte auch anders.

Aber zur eigentlichen Frage: Eine durchaus tiefschürfende, fast philosophische Frage, über die sicher schon viel geschrieben worden ist. Es gibt da den etwas klischeehaften Spruch, so in etwa »Heimat ist, wo das Herz ist«. Da ist durchaus was dran. Sprich: Für mich ist Heimat da, wo ich lebe, liebe, meine Freunde habe etc. das ist nicht unbedingt ortsgebunden. Aber andererseits, gleichzeitig, aber ursprünglicher ist Heimat das, woher ich komme, wo ich aufgewachsen bin, wichtige erste Erfahrungen machte etc. Ich nenne meine niederbayerische Herkunft daher gern alte Heimat, das ist meine Scholle, da sind meine Wurzeln. Wenn ich dort bin, dann spüre ich das unmittelbar, dass ich von dort komme, da kannst mich mit verbundenen Augen hinstellen und ich rieche, schmecke, spüre das, aber das ist vielen Menschen heutzutage glaub ich verloren gegangen. Und ich spreche einen Dialekt, den ich im Alltag nicht immer spreche, in den ich aber immer gerne verfalle, sobald ich altheimischen Boden betrete oder mit Freunden von dort spreche u.ä. Ich glaube, Du verstehst, was ich meine.

Gerhard, danke für deine Zeit.

 

Fünf Fragen an STELLARIS-Redakteur Olaf Brill

Olaf, in deiner STELLARIS 68 erfahren wir, dass die STELLARIS die 500 Jahre überstanden hat. Blieb sie vom Posizid verschont?

Das erfahren wir in der nächsten STELLARIS-Story, die in acht Wochen erscheinen wird!

Der Frachtraumer wurde von dir ins Jahr 2045 NGZ gehievt, die Besatzung bis auf einen jedoch nicht. Welche schillernden Charaktere kommen auf uns zu?

Einige haben wir in der aktuellen Story ja bereits kennengelernt: Es sind Einwohner des Planeten Myra, die nun mit der STELLARIS auf große Reise gehen. Die Myraner sind ein Volk, das von Lemurern abstammt, im Laufe der Geschichte auf vortechnologischen Stand zurückgefallen ist und sich vor historisch wiederum relativ kurzer Zeit mit Nachfahren der STELLARIS-Besatzung vermischt hat. Myra befindet sich allerdings auf einem Entwicklungsstand noch vor dem planetaren Raumfahrtzeitalter. Nur einige wenige Vertreter des Planeten brechen nun mit der STELLARIS ins Weltall auf. Also braucht unser Raumschiff natürlich noch eine professionelle Besatzung, die wir in den nächsten Storys kennenlernen werden. Und ja, ich hoffe, es sind ein paar schillernde Charaktere dabei.

In der STELLARIS-Gruppe auf Facebook postet STELLARIS-Autor Gerhard Huber Live-Leseberichte zu den Stories – wie ist es für dich als Autor, wenn du ihm quasi über die Schulter schaust?

Das ist einfach wunderbar! Der Autor erfährt dabei, ob es ihm gelungen ist, die Gedanken des Lesers in die Richtung zu lenken, die er geplant hat. Also, ob erfolgreich bestimmte Erwartungshaltungen und Spannungsmomente aufgebaut werden konnten, und ob der Leser bei deren Auflösung dann befriedigt oder enttäuscht ist. Und er erfährt natürlich, ob wenigstens einem Leser die Story gefallen hat oder nicht. Das ist ein wichtiges Feedback, und mir macht es jedenfalls großen Spaß, Gerhard bei seinen Live-Lesungen über die Schulter zu schauen. Ich versuche, wenn ich kann, immer „live“ dabei zu sein.

Du bist seit Februar 2017 Redakteur der STELLARIS-Serie – was muss ein STELLARIS-Expo haben, damit du dem Autor sagen kannst: Okay, schreib mal und dann sehen wir weiter?

Gute Frage! Weiß gar nicht, ob man die mit einem „Rezept“ beantworten kann. Aber ich versuch’s mal: Der Autor muss natürlich eine Idee haben, die eine richtig gute Science-Fiction-Handlung ermöglicht. Dann muss er „menschliche“ Figuren einbringen, deren Schicksal uns interessiert. „Menschlich“ in Anführungszeichen, denn das können bei uns natürlich auch Außerirdische oder Roboter sein. Und schließlich sollte die Geschichte so gestaltet sein, dass beim Lesen oben erwähnte Erwartungshaltungen aufgebaut werden: Der Leser soll mitfiebern, Spekulationen, Wünsche und Ängste über den Fortgang der Handlung aufbauen … und dann sehen, was der Autor draus gemacht hat!

Es gibt einen harten Kern an STELLARIS-Autoren – wann ist die nächste Gelegenheit ein paar von ihnen auf einem Con zu treffen?

Das stimmt. Ich bin ganz froh über diese nicht kleine Gruppe von Schriftstellern, die sich schon bei der STELLARIS bewährt und auch Lust haben, weitere Storys zu schreiben. Da habe ich ein paar Leute, auf die ich mich jederzeit verlassen kann. Und das ist durchaus manchmal nötig. Es kommt zum Beispiel gelegentlich vor, dass eine eigentlich vorgesehene Story aus diesem oder jenem Grund ausfällt und ich Ersatz brauche. Dann hat meist einer der Stammautoren schon eine Geschichte zur Hand, die wir in wenigen Tagen in Zusammenarbeit von Autor und Redakteur zur Veröffentlichung fertigstellen können. Diese Autoren kann man als nächstes auf den PERRY RHODAN-Tagen Osnabrück im Mai auf einem STELLARIS-Panel treffen. Wird ein recht vollbesetztes Podium! Ich freu mich schon drauf, denn ich werde natürlich am Rande mit jedem dieser Autoren über seine nächste Story sprechen. Und wir wollen ja hoffen, dass dabei sehr viele schöne, bunte, anregende und mitreißende Geschichten herauskommen!

Bislang haben folgende STELLARIS-Autoren für Osnabrück zugesagt:

Olaf Brill

Dieter Bohn

Dietmar Schmidt

Gerhard Huber

Roman Schleifer

Infos zum Con: http://prtag.prfz.de/home.html
oder
https://www.facebook.com/PRTOsna/