Robert Corvus stellt sich den Fragen von Roman Schleifer zum Dunkelwelten Band II Schwarze Frucht. Unter anderem verrät er, ob er Idealist ist und wie oft er sich selbst googelt.
Robert, du hast das Konzept der drei Dunkelwelten-Bücher »Schwarz Saat«, »Schwarze Frucht« und »Schwarze Ernte« entwickelt. Wie kam es zu dem »Dreiteiler«, der eigentlich keiner ist, weil man jedes Buch auch separat lesen kann?
Für den 7. April 2017 war ich nach Stuttgart zum dortigen Science-Fiction-Stammtisch eingeladen, wo man über meinen Roman Feuer der Leere diskutiert hat. Nebenbei gab es dort auch eine Vorab-Lesung aus meinem PERRY-RHODAN-Heftroman Der letzte Galakt-Transferer, denn unter den Stammtischlern finden sich auch viele Fans der Serie.
Wegen der räumlichen Nähe zu Rastatt verband ich diesen Termin mit einem Besuch bei der RHODAN-Redaktion. Spontan durfte ich auch die Druckerei besichtigen, das Video, das ich davon gemacht habe, hat damals guten Anklang gefunden. https://youtu.be/oIzFGeceOac
Im Rahmen dieses Besuchs war auch ein Treffen mit Chefredakteur Klaus N. Frick verabredet. Ich hatte mir natürlich vorher überlegt, wie man dabei peinliches Schweigen vermeiden könnte, und mir deswegen eine sinnvolle Frage zurechtgelegt: »Wie wäre es, mal wieder ein PERRY-RHODAN-Taschenbuch zu machen?« Dazu muss man wissen, dass die Länge von 120 Normseiten, die ein Heftroman hat, für mich ungewohnt kurz ist – ich arbeite in der Regel an Geschichten von 400 Normseiten aufwärts. Das ist auch der Grund, aus dem ich gern Doppelromane in der Heftserie schreibe – ich habe dann mehr ›Platz zum Atmen‹ und zum verschieben von Handlungselementen innerhalb des vorgegebenen Rahmens.
Jedenfalls war Klaus sehr offen für den Vorschlag und hatte auch direkt Lizenzpartner im Kopf, von denen damals schon Bastei Lübbe einer war. Inhaltlich war, glaube ich, noch alles offen.
Bei einem Waldspaziergang am nächsten Wochenende habe ich dann die Idee zu Schwarze Frucht entwickelt, wobei der Roman noch den Arbeitstitel Die dunkle Kolonie hatte. Ich habe ein Exposé geschrieben (in dem Verständnis, wie man ein Exposé im Buchmarkt betrachtet: 6 locker beschriebene Seiten mit einem Handlungsabriss, nicht ein RHODAN-Exposé mit 40 oder mehr Seiten inklusive Kapitelstruktur und Datenblättern).
Die Reaktion aus Rastatt war zunächst einmal, dass man aus der Thematik ›Dunkelwelten‹ doch auch eine Trilogie machen könne, in der man mit Michael Marcus Thurner und Madeleine Puljic einen Autor und eine Autorin einbeziehen könnte, die auch im Buchmarkt bereits eingeführt sind.
Danach passierte lange wenig, weil die Arbeit an den laufenden Serien in der Redaktion Priorität haben muss und man zunächst einmal einen Lizenzpartner finden wollte, der ja dann auch seine Vorstellungen einbringen soll.
Bewegung kam im März 2018 wieder in die Sache. Da hatten wir auf der Leipziger Buchmesse ein Treffen verabredet, auf dem wir über die Reihe sprechen wollten. Leider konnte ich nicht dabei sein, weil die Landebahn vereist war und ich erst nach einer Odyssee über Berlin auf dem Messegelände eintraf – da waren die anderen schon in weiteren Terminen verstreut. Ich erfuhr aber, dass man sich auf eine sehr lockere Rahmenhandlung verständigt hatte, die Einzelgeschichten der Taschenbücher sollten im Wesentlichen für sich stehen. Schauplätze und Personal sollten unabhängig voneinander sein.
Ende April 2018 war ich Co-Trainer bei einem von Michael Marcus Thurners Schreibcamps. Wieder waren wir also nicht alle beisammen, aber immerhin konnten wir zu zweit Ideen hin- und herwerfen und kamen mit einem Plot heraus, den wir für tauglich hielten, die drei Taschenbücher einzuklinken, ohne sie eng untereinander koordinieren zu müssen (es reichte, jeweils das Ergebnis des ersten und zweiten Bandes als ›Übergabepunkte‹ zu definieren).
Dieses Konzept stieß in Rastatt leider nicht auf Gegenliebe.
Ergo galt es, ein anderes übergreifendes Konzept zu entwickeln, was wir – endlich alle drei gemeinsam – mithilfe der Chatfunktion von Facebook bewerkstelligten (mit einem kleinen Vorlauf auf dem GarchingCon mit Madeleine Puljic und mir). Diesmal hat Madeleine Puljic die Hauptarbeit geleistet, indem sie unsere Überlegungen in einem Konzeptpapier zusammengefasst hat, das dann auch Gnade fand. Ich finde das neue Konzept sogar besser als das alte.
Davon quasi unberührt blieb mein Exposé für Schwarze Frucht. Geändert wurde hier lediglich, dass die Laquilen zu Plasmawesen wurden – ursprünglich waren sie Kraken, was man aber als zu nah am in der Szene recht bekannten Film ›Arrival‹ empfand.
Auch Michael und Madeleine schrieben ihre Exposés praktisch für sich. Wir waren weiterhin per Chat in Kontakt und haben unsere Ideen wechselseitig kommentiert. Es gab aber keine Bearbeitung der Exposés im eigentlichen Sinne jenseits dessen, was Klaus N. Frick mit jedem von uns 1:1 gemacht hat.
Wie war das mit dem Klappentext genau?
Das ist leider eine Panne.
In meiner ursprünglichen Überlegung – zu entnehmen meinem 6-Seiten-Exposé – wollte ich mit der Entdeckung eines bestimmten Artefakts in der Tiefsee von Styx in die Geschichte einsteigen. Diese Entdeckung kommt auch vor, allerdings nun erst auf etwa der Hälfte des Romans, was sich als dramaturgisch günstiger erwies. Vorher baue ich im Roman noch ein wenig Geheimnis und falsche Fährten dazu auf, um was es sich eigentlich handelt.
Der Klappentext wurde aber – wie in der Buchbranche üblich – bereits vor dem Manuskript geschrieben. Das ist notwendig, um den Buchhandel vorab zu interessieren und Vorbestellungen auszulösen, damit das Buch zum Erscheinungstag in den Regalen und – wichtiger – auf den Präsentationstischen gut vertreten ist.
Als ich das Manuskript fertig hatte, habe ich den Klappentext noch einmal angeschaut und festgestellt, dass er (inzwischen) zu viel verrät. Ich habe daraufhin einen anderen Entwurf geschrieben und an die Redaktion geschickt. Das war im Januar 2019.
Man wollte die Klappentexte austauschen, aber irgendwo jenseits des Bereichs, den ich mitbekomme, ist dieses Vorhaben gegen einen Poller gelaufen, sodass nun doch der alte Klappentext auf dem Buch steht, der leider ein wenig zu viel verrät.
Seit Jahren gibt Klaus N. Frick gebetsmühlenartig von sich: »Wo PERRY RHODAN drauf steht, muss auch Perry Rhodan drin sein.«
Also, kein PR-Logo ohne den Unsterblichen an sich. Ich kann mich an kein RHODAN-Spin-Off erinnern, in dem Perry Rhodan so minimalistisch vorkam, wie in »Schwarze Frucht«.
Er kommt mit einem Funkspruch einmal vor, um die Story für Viccor in Gang zu setzen (Kapitel 2), dann in Kapitel 33 wiederum als Funk-spruch, und ist dann ab Kapitel 41 zwar auf der Dunkelwelt, ist aber bis auf den Höhepunkt zwar anwesend, aber nicht in der essenziellen Handlung. Was war die Überlegung dahinter, Perry so ins »Abseits« zu stellen? Und musstest du KNF davon überzeugen?
Bei PERRY RHODAN-NEO habe ich drei ganze und zwei halbe Taschenhefte geschrieben, und nur in einem davon kam Perry Rhodan vor. Auch in der Hauptserie hatte ich mehrere Heftromane, die ohne Rhodan auskamen (insbesondere meine beiden KRUSENSTERN-Romane). Und ich meine mich auch zu erinnern, einige Planetenromane gelesen zu haben, in denen Rhodan nicht auftaucht.
Von daher fand ich seinen wohldosierten Auftritt nicht als ungewöhnlich, und es gab dazu auch keinerlei Diskussion – alle Projektbeteiligten empfanden das als normal.
Zudem bin ich auch nicht sicher, ob Rhodans Beitrag nicht doch essenziell ist – nur ist in Schwarze Frucht die Kamera nicht dabei. Er führt ja ein Kommandounternehmen an, er stößt die Geschichte zu Beginn an und ist an der Auflösung wesentlich beteiligt. Nur: Wenn ich diese Elemente prominent in Szene gesetzt hätte, dann hätte das meiner Hauptfigur Viccor Bughassidow die Show stehlen können. Deswegen habe ich den Fokus zu keiner Zeit auf Rhodan gerichtet.
Du verwebst gesellschaftspolitische und ethische Probleme mit dem Mythos einer untergegangenen Zivilisation und Action. Welche Themen im Roman sind dir selbst ein Anliegen?
Es ist zwar auch für mich selbst seltsam, aber ich ›verstehe‹ meine eigenen Romane frühestens ein halbes Jahr nach Erscheinen. Das merke ich auch, wenn ich an einem Verkaufsstand stehe (den ich manchmal auf Conventions mache) und mich die Leute fragen, worum es in meinen Büchern geht. Bei den frischen Werken bin ich da eher unsicher, während ich die älteren routiniert anpreisen kann. Ich brauche Abstand, um das vollständige Bild zu sehen.
Mit diesem Vorbehalt würde ich sagen, dass Schwarze Frucht im Kern davon handelt, ins Unbekannte zu gehen und zu tun, was niemand anderes tun kann. Avea beispielsweise will aus Styx ein Gemeinwesen machen, einen guten Ort zum Leben. Bughassidow ist ein Entdecker, der sehen will, was noch kein Mensch vor ihm gesehen hat – und zugleich will er die Wunder des Universums schützen, was manchmal im Widerspruch zueinander steht. Amaya will mithilfe von Logik so etwas wie Gerechtigkeit ausrechnen und wie eine komplexe Funktion mit vielen Variablen optimieren. Die Quabiten wollen zu den Sternen aufbrechen – womit sie den RHODAN-Fans wahrscheinlich sehr ähnlich sind, auch wenn sie eine Weile brauchen, bis sie den richtigen Weg finden, um ihren Träumen zu folgen. Jede Figur ist mit ihren Fähigkeiten und ihrer Biografie an einen sehr speziellen Ort in der Geschichte gestellt, und deswegen hat jede ihren ganz eigenen Pfad in das große Abenteuer Zukunft vor sich.
Nach Lesen von Band 1 »Schwarze Saat« wusste man, was es mit X-Grow (in Band 1 »Xoj«) auf sich hat. Gab es nicht die Befürchtung, dass durch den Wissensvorsprung des Lesers die Spannung von Band 2 darunter leidet?
Im übergreifenden Konzept war das Xoj einfach nur ein Dünger, der es erlaubt, auf Welten ohne Sonnenlicht produktiv Nahrung anzubauen. Die Ausgestaltung als etwas sehr Bedrohliches hat Michael erst beim Schreiben seines Romans vorgenommen, oder zumindest habe ich es erst beim Lesen seines Manuskripts in dieser Form realisiert. Ursprünglich kam das Xoj bei mir überhaupt nicht vor, als Aufhänger für die übergreifende Handlung reichte das Wrack des Saatschiffs aus. Bei der Lektüre von Michaels Manuskript hat mich das Xoj aber so fasziniert, dass ich einen ganzen Strauß von Möglichkeiten im Kopf hatte, spannende Handlungselemente daraus zu entwickeln. Erst dadurch ist es überhaupt in die Handlung von Schwarze Frucht gekommen – und dann so prominent.
Gefühlt hatte ich den Eindruck, dass die Story erst mit dem Ende des ersten Drittels wirklich beginnt. Ein wenig klingt das nach Reißbrett. Plottest du nach »Vorlage« oder intuitiv?
Das ändert sich von Roman zu Roman ein wenig. Generell mache ich immer einen Szenenplan, der die komplette Handlung umfasst – auch, um die Länge abschätzen zu können.
Manchmal (allerdings nicht bei Schwarze Frucht) lasse ich mich auch von Grundstrukturen inspirieren, die sich in der langen Geschichte des Erzählens durchgesetzt haben. Das mache ich vor allem dann, wenn ich eine für mich neue Art von Geschichte angehe – zum Beispiel war das bei Grauwacht so, meiner ersten Geschichte mit einem großen Rätsel im Mittelpunkt. Da habe ich den Rat aufgenommen, die Lösung des Rätsels von Anfang an im Bild zu haben und der Leserschaft zu präsentieren – allerdings in so ungewöhnlichem Kontext, dass kaum jemand erahnt, dass er die Lösung bereits sieht …
Grundsätzlich halte ich viel davon, bewährte Erzählmuster zu studieren und zu kennen. Wenn ich einen guten Grund dafür habe, von ihnen abzuweichen, tue ich das aber auch.
Du hast einen Klassiker der Plotplanung – der Unterböse erzählt dem Helden den weiteren Plan des Bösen – durch die Gedanken des Helden konterkariert. <
Zitat: »Viccor hoffte, dass der Grund dafür nicht darin lag, dass sie erwartete, dass sie ohnehin bald nichts mehr würden ausplaudern können …«
Nimmst du die Schreibtheorie auf die Schaufel?
Ich habe großen Respekt vor der Schreibtheorie. Ich habe regalmeterweise Schreibratgeber in meinem Arbeitszimmer, die ich alle gelesen habe, und aus jedem davon habe ich etwas Nützliches gezogen.
Nur bin ich mir bewusst, dass am Ende mein Name auf der Geschichte steht, die die Leute gern lesen oder eben nicht. Das ist das einzige Kriterium: Ist die Geschichte gut oder nicht? Die Theorien sind genau so viel wert, wie sie dazu beitragen, eine Geschichte zu einer guten Geschichte zu machen. Wenn sie schlecht ist, dann hilft es nichts, wenn sie gemäß aller gängigen Theorien geschrieben ist.
Ich weiß, du schreibst schnell (30.000 Zeichen pro Tag), du hast jedoch eine Art Gedicht im Roman. Hast du das auch aus dem Ärmel geschüttelt?
Wenn ich eine Rohfassung schreibe, versuche ich, in den Flow zu kommen (das ist ein Begriff aus der Arbeitspsychologie, den ich in meiner Zeit als Unternehmensberater kennengelernt habe). Im Idealfall sehe ich einen inneren Film und schreibe ihn nur noch auf. In diesem Fall war das auch bei dem Gedicht so. Ich zähle zwar die Silben und achte auf die Reime (da bin ich altmodisch – bei mir reimen sich Gedichte noch), aber das fühlt sich bei mir an, als ob es das ›richtige‹ Gedicht schon gäbe, als ob die Figur es bereits korrekt aufsagen würde, aber ich durch Nebengeräusche daran gehindert werde, es beim ersten Mal richtig zu verstehen. Deswegen muss ich meinen inneren Film ein paar Mal zurückspulen und die Stelle genau anhören, bis das Gedicht richtig im Manuskript steht.
Isob Jester, der Genmanipulationen an Embryonen vornimmt, um Lebewesen mit bestimmten Fähigkeiten zu züchten, reflektiert über den »Reaktionär Perry Rhodan, der den Fortschritt für eine optimierte Zukunft behindert«. Wie ist deine Meinung dazu? Sollten wir Menschen schon im Embryostadium optimieren?
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beginnt mit der Aussage: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Ich muss zugeben, dass ich damit lange nichts anfangen konnte, weil es mir zu schwammig war. Was soll das sein – »Menschenwürde«? Bedeutet das, dass man seine Mitmenschen nicht beleidigen darf? Und eine solche eher triviale Aussage steht am Beginn von allem?
Erst kürzlich habe ich einen Kommentar gelesen, der mir den Sinn dieser Aussage erschlossen hat. Sie bedeutet (und so legt sie das Bundesverfassungsgericht auch aus), dass ein Mensch immer Subjekt ist, niemals Objekt. Er ist niemals auf seinen Gebrauchswert, auf seinen Nutzen, reduziert. Selbst ein Schwerverbrecher muss Subjekt des Verfahrens sein, in dem seine Taten verhandelt werden. Er muss gehört werden, man darf über ihn nicht wie über eine Sache oder auch wie über eine Pflanze oder wie ein Tier bestimmen.
Mit dieser Richtschnur fährt man auch beim Umgang mit Embryonen gut, glaube ich. Sie sind vollkommen schutzlos, wie jemand, der nach einem schweren Unfall bewusstlos im Straßengraben liegt und sich derzeit nicht äußern, geschweige denn selbst helfen kann. Wir können aber plausible Annahmen dazu treffen, was seine Wünsche wären, wenn er seine Situation einschätzen und sich äußern könnte – zum Beispiel, eine schwere Blutung zu stoppen, eine Wunde zu verbinden etc. Bei den Embryonen gibt es eine Vielzahl von Behandlungen, die vor der Geburt einfacher und wirkungsvoller sind als nach der Geburt. Etwa, wenn man Erbkrankheiten (deren Auswirkungen man ja auch nach der Geburt behandeln würde) in diesem Stadium heilt. In meinem familiären Umfeld gab es beispielsweise Menschen, die schwer diabeteskrank waren. Sofern es möglich ist, Diabetes im Embryonalstadium zu heilen, sodass die Krankheit später gar nicht ausbricht, halte ich das nicht nur für gerechtfertigt, sondern sogar für geboten. Gleiches gilt für Allergien, Fehlstellungen der Gelenke etc. Alles, was wir auch in einem späteren Lebensstadium medizinisch behandeln würden. Freunde von mir leiden unter Erbkrankheiten, die häufige Krankenhausaufenthalte und medikamentöse Therapien mit starken Nebenwirkungen unumgänglich machen, sie müssen ihren Lebensrhythmus danach ausrichten.
In Schwarze Frucht gehen die Optimierungen aber ja viel weiter. Dort werden sie teilweise nicht vorgenommen, damit die Optimierten ein besseres Leben haben, sondern damit der Optimierer sie besser für seine Zwecke einsetzen kann. Einige Optimierte müssen ihr Leben in transparenten Zylindern fristen, außerhalb derer sie nicht lebensfähig wären. Sie sind zu puren Objekten ihres Erschaffers geworden, er würdigt sie nicht als Subjekte ihres eigenen Lebens. Das ist für mich ein Verbrechen.
Viccor lehnt Optimierung des Erbguts ab. Andererseits gäbe es ohne diese Optimierung keine Oxtorner, Ertruser, Epsaler …
Und da sind wir bei den Grenzfällen. Auch diese werden in Schwarze Frucht thematisiert. Die Umweltangepassten entstanden, weil sie in Umgebungen überleben mussten, für die der menschliche Körper nach ›Standardbauplan‹ schlicht ungeeignet ist. Das klingt auch bei Rhekla an, die ihre Eltern maßvoll auf das Leben auf einer Unterwasserwelt hin optimiert haben, und mit Park Astrur habe ich einen weiteren Umweltangepassten im Personal meines Romans. Die Problematik ist in diesen Fällen nicht so sehr gegenüber den Angepassten zu sehen (sie werden ja nicht objektifiziert), sondern in den möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen. Wenn es Optimierungen über die Grundausstattungen des Homo Sapiens Sapiens hinaus gibt – geraten wir dann als Gesellschaft in eine Spirale, in einen Wettlauf, in dem die Nicht-Optimierten nicht mehr mithalten können? Wer hat dann Zugang zu solchen Optimierungen? Wie regeln wir das gesellschaftlich?
Stephen Hawking war da äußerst pessimistisch. Er sagte voraus, dass die Optimierung menschlichen Erbguts mit Hinblick auf Effizienzsteigerungen keine Frage des Ob sei, sondern eine Frage des Wann und vor allem des Wer. Werden es freiheitliche Gesellschaften sein, deren Kinder demnächst mit einem Durchschnitts-IQ von 150 zur Welt kommen? Oder wird das in totalitären Staaten passieren, die ihre Bevölkerung eher als Erfüllungsgehilfin für einen ideologischen Traum sehen? Die Antwort ist nicht sehr ermutigend.
Schwarze Frucht bot mir die Gelegenheit, diese Thematik in vielen Schattierungen zu diskutieren. Etwa auch dahingehend, was denn mit Optimierten geschehen soll, die nun einmal erschaffen wurden und nun in der Welt sind. Mag ihr Schöpfer auch ein Verbrecher sein – sie selbst tragen an diesem Verbrechen schließlich keine Schuld.
Auf der Dunkelwelt Styx laufen seit Monaten die Vorbereitungen für die Abstimmung, ob sie der LFG beitreten soll. Und mitten in dieser Phase entsinnen sich die Verantwortlichen darauf, zu prüfen, ob eine Lebensform auf dem Planeten intelligent ist oder nicht? Wieso wurde das nicht schon längst geprüft? Zum Beispiel bei der Besiedlung?
Bei der Besiedlung war ein Beitritt zur LFT kein Thema. Eigentlich ist die Besiedlung von Styx auch nur ein Nebeneffekt: Es ging zunächst nur darum, Rohstoffe abzubauen. Eine Analogie wäre eine Ölbohrplattform auf hoher See. Da macht man sich Gedanken darum, wie man die am besten verankert und welche Bohrköpfe man einsetzt, in welchem Takt die Tanker den Rohstoff abholen sollen, solche Dinge. Dass man auf Styx immer mehr lohnende Rohstoffe gefunden hat und deswegen immer mehr Leute dorthin kamen (und letztlich dort hängen geblieben sind), war nicht geplant, sondern hat sich so ergeben.
Als dann der LFT-Beitritt zum Thema wurde, haben Menschen schon mehr als vier Jahrzehnte auf Styx gelebt, ohne auf indigene intelligente Lebensformen zu stoßen. Die Frage stellte sich also nicht (mehr): Man glaubte, sich auszukennen.
Auch das ist ein Gedanke aus meiner Unternehmensberaterzeit. Wenn man ein Projekt beginnt, teilt man die Entscheidungsgrundlagen in Dinge, über die man Bescheid weiß (›Known‹) und Dinge, über die man nicht Bescheid weiß (›Unknown‹). Das ›Unknown‹ hat Bereiche, von denen man weiß, dass noch Informationen fehlen und man sie besser beschaffen sollte (›Known Unknown‹). Die sind einigermaßen planbar. Dann gibt es aber noch den Horror eines jeden Projektleiters: die Dinge, von denen man noch nicht einmal weiß, dass man sie nicht weiß (›Unknown Unknown‹).
Ich hatte das bei einem anderen Roman, Grauwacht. Da war mir klar, dass ich zu Luft- und Meeresströmungen eine Wissenslücke hatte, also habe ich dazu recherchiert und die Darstellungen dazu im Roman müssten passen. Mir war allerdings unklar, dass ich nicht wusste, dass es verschiedene Arten der Farbmischung gibt. Aus der Schulzeit erinnerte ich mich, dass ich das Blau und das Gelb aus meinem Tuschkasten zu Grün mischen konnte. Daraus schloss ich, dass auch blaues und gelbes Licht grünes Licht ergeben (diese Überlappung von gelbem und blauem Licht ist ein wiederkehrendes Element in der Geschichte). Ich kam gar nicht auf die Idee, dass es anders sein könnte. Aber Licht mischt sich additiv, weswegen Blau und Gelb nicht Grün, sondern Weiß ergeben. Darauf machte mich ein Leser aufmerksam. Ich konnte es aber erst in der überarbeiteten Edition, die ich nach dem Rückfall der Rechte als eBook herausgebracht habe, anpassen.
Zweimal habe ich einen stilistischen Kalauer gefunden, da fixieren die Augen das Gegenüber. Ärgert dich, wenn so etwas von Korrekturlesern, Lektor, Redakteur und Autor übersehen wird?
Nur dann, wenn ich es selbst als fehlerhaft empfinde. Hier ist das nicht der Fall. Man könnte zwar sagen, dass eher der Blick als die Augen etwas fixiert, aber mit gleicher Argumentation müsste man dann fordern, dass der Griff und nicht die Hand etwas festhält. Da finde ich die Formulierung jeweils gängig und verständlich und habe deswegen kein Problem damit.
Generell bin ich der Meinung, dass der Text des Buchs mein Werk ist – im Guten wie im Schlechten. Alle anderen Beteiligten helfen dabei, den Text besser zu machen. Das ist sehr wertvoll, aber am Ende des Tages ist es eine Hilfsfunktion. Wenn also Fehler drin sind, dann gehören auch diese Fehler mir. Es mag sein, dass Lektoren, Korrektoren etc. sie ebenfalls übersehen haben – aber der Ursprung dieser Schwäche liegt in dem Manuskript, das ich abgegeben habe. Es sei denn, es wurde etwas verschlimmbessert, das vorher gut war. Deswegen lese ich, wenn immer es mir gestattet wird, auch jede Druckfahne von vorne bis hinten komplett durch, bevor ich meine Druckfreigabe erteile. Damit ist es dann auch wieder ›mein Fehler‹, wenn mir eine Verschlimmbesserung durchrutscht.
Zitat aus dem Buch: »Idealisten sind die Schlimmsten. Die kann man mit keinem Argument überzeugen.«
Bist du ein Idealist?
Ich hoffe, jeder Mensch ist in den Bereichen, die seine Überzeugungen im Kern ausmachen, ein Idealist.
Es gibt Dinge, die nicht verhandelbar sind – natürlich auch für mich. Menschenrechte zum Beispiel – da kann und muss man darüber diskutieren, in welcher Form man sie am besten realisieren kann, und da sollte man auch ein breites Spektrum anerkennen, ohne dem Diskussionspartner sofort Bosheit zu unterstellen. Aber dass Menschen an sich einen Wert und eine Würde haben, die sie unter keinen Umständen verlieren können, ist für mich nicht zu diskutieren, und da bin ich auch keiner anders gerichteten Argumentation zugänglich.
Ich bin auch in anderen Bereichen ein Idealist. Beispielsweise würde ich nie in einer Beziehung leben wollen, in der ich nicht Hals über Kopf in meine Partnerin verliebt wäre. Für Vernunftehen war ich nie zu haben.
Andererseits glaube ich, dass das Zusammenleben schlicht unmöglich wird, wenn man in jeder Kleinigkeit betonhart auf seinen Idealen beharrt und nichts anderes gelten lässt. Das wird dann schnell sehr anstrengend für alle Beteiligten.
Zitat aus dem Buch: »Wozu war man Milliardär, wenn man sich nicht ab und zu etwas gönnte.« Was würdest du dir als erstes gönnen, wärst du Milliardär?
Ein sehr großes Haus mit umgebender Parkanlage. In dem Park würden steinerne Engel stehen, die entweder aufgeschlagene Bücher oder brennende Schwerter halten. In dem Haus wäre eine Menge Platz. Insbesondere hätte es einen Saal mit durchgängiger Fensterfront, der vollständig leer wäre. Dort würde ich gern sitzen und meinen Park anschauen, vielleicht mit einem Buch auf dem Schoß.
Du hast Wirtschaft studiert, warst Unternehmensberater und nun Schriftsteller. Was war der Beweggrund für deinen Berufswechsel?
Hast du noch Kontakt zu den alten Kollegen? Wie haben die reagiert?
In gewisser Weise war es kein Berufswechsel, sondern die Schriftstellerei hat kontinuierlich einen immer größeren Raum eingenommen. Schon in der Grundschule habe ich auffällig lange Aufsätze geschrieben. Als Teenager war ich in einem Fantasyclub und habe fleißig Kurzgeschichten für unser Vereinsmagazin eingeschickt. Ich habe an Leseabenden in Kölner Cafés teilgenommen, in Anthologien veröffentlicht, es auch mal mit einem Roman in einem winzigen Verlag probiert. Dann kamen Romane für die Franchises BattleTech und Das schwarze Auge, alles unter meinem damaligen Pseudonym Bernard Craw und dank eBooks auch alles noch lieferbar. Wir sprechen hier von immerhin zwölf Taschenbüchern, die im Laufe der Jahre zusammenkamen. Damit war meine Schriftstellerei schon ein Nebenberuf, und ich habe auch im Kollegenkreis nie ein Geheimnis daraus gemacht. Im IBM-Intranet wurde ich sogar einmal als nebenberuflicher Schriftsteller porträtiert.
Die Reaktion der Kollegen war durchweg positiv. Ich glaube, Schriftsteller ist generell ein Beruf, dem man mit Sympathie begegnet. Die Leute sagen gern: »Ich kenne einen Schriftsteller«.
Du warst dieses Jahr in USA, hast dir unter anderem auch Kriegsschiffe angesehen. Hast du von diesen Besuchen etwas in »Schwarze Frucht« eingebaut?
Die erste Manuskriptfassung von Schwarze Frucht habe ich abgegeben, bevor ich Ende Januar in die USA geflogen bin, deswegen konnten meine Eindrücke von dieser konkreten Reise nicht mehr einfließen. Aber sicher hat ein großes Schiff wie die USS Texas ein bisschen etwas von der KRUSENSTERN, auch wenn letztere viel größer und nicht auf Kämpfe ausgelegt ist. Aber diese komplett künstliche Umgebung, in der die Matrosen dennoch so etwas wie eine schwimmende Heimat geschaffen haben (man hatte auf einem Unterdeck der Texas so etwas wie einen Nachbau einer Geschäftsstraße einer amerikanischen Kleinstadt), dann auch die vergleichsweise riesigen Maschinenräume … Da kann man Gemeinsamkeiten entdecken.
Was mich irritiert: Da dreht gefühlt ein Viertel der Bevölkerung von Styx durch (Fünf Anschläge pro Stunde!) und die Verantwortlichen für die Abstimmung machen Business as usual? Wieso untersuchen sie die Verstorbenen nicht?
Wieso fällt ihnen nicht auf, dass die Toten zuvor Sehnsucht nach den Sternen entwickeln?
Das habe ich so geschrieben, um zu zeigen, was fehlt, wenn man eben keinen Staat hat, keine Behörden, keine Exekutive. Letztlich fühlt sich dann auch niemand übergreifend zuständig. Auf Styx gibt es Konzerne und die haben Mitarbeiter – mehr nicht. Es gibt keine Polizei, die nach Mustern in Taten sucht, keine professionellen Ermittler, nichts dergleichen. Wenn die Sternenträumer, die auf dem Eis Suizid begehen, so rasch gefunden werden, dann liegt das daran, dass einer von ihnen einen privaten Vorsorgevertrag geschlossen hat. Nur deswegen hat er einen Chip implantiert, der ein Notsignal absetzt. Das geht auch nicht an eine öffentliche Stelle (weil es so etwas auf Styx nicht gibt), sondern zu einem privaten medizinischen Dienst, der wiederum dem Konzern angegliedert ist, für den er arbeitet …
Du hast ein Leserunde abgehalten, nachzulesen unter
https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?board/500-robert-corvus-schwarze-frucht/
Wie wichtig ist dir der Kontakt zu den Lesern? Und was nimmst du aus diesen Leserunden für die nächsten Bücher mit?
Gerade das Format der Leserunden ist für mich spannend, weil dabei ein Buch in mehrere zu kommentierende Leseabschnitte unterteilt wird. Dadurch kann ich nachvollziehen, ob die Spannungsbögen so funktionieren, wie ich sie gern hätte. Stellen sich die Leser an den richtigen Stellen die Fragen, die sie sich stellen sollen? Werden die Informationen registriert, die ich ausstreue? Gehen sie mir bei den falschen Fährten auf den Leim?
Das hilft mir enorm dabei, mein Handwerk zu verbessern.
Außerhalb davon bin ich auf Social Media aktiv (Instagram, Facebook, Twitter), unterhalte einen YoutTube-Kanal und mehrere Webpräsenzen und besuche gern Conventions bzw. veranstalte Lesungen. Ich habe eine starke Grundsympathie für alle Leute, die meine Geschichten mögen. Deswegen erfahre ich gern etwas über diese Menschen – und wenn es nur über Kommentare unter meinen Beiträgen ist.
Die Reaktionen zu den beiden Büchern waren durchwegs positiv. Auch die Bewertungen auf den Portalen liegen bei 4 und 5 Sternen. Wie sehr freut dich so etwas? Und suchst du im Netz nach Rezensionen deiner Werke?
Ich werfe fünfmal täglich eine Suchmaschine an und fahnde nach meinem Autorennamen. Ich lese alles, was ich finden kann.
Trotzdem messe ich einzelnen Meinungen weniger Gewicht bei als die meisten anderen Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne. Ich weiß, dass ich nicht der Adressat einer Rezension bin (das sind schließlich die anderen potenziellen Leserinnen und Leser), und mir ist auch klar, dass man bei einem hinreichend großen Publikum nicht alle restlos begeistern kann – dafür sind die Geschmäcker zu verschieden. Umgekehrt lösen positive Reaktionen bei mir ebenfalls nicht so hohe Ausschläge aus, wie ich es im Kollegenkreis zuweilen beobachte. Das gilt für Rezensionen ebenso wie für Preise – ich glaube, ich bleibe da einigermaßen auf dem Teppich.
Dennoch möchte ich mit meinen Geschichten Menschen erreichen, die sich daran erfreuen – sonst würde ich meine Texte ja auf der Festplatte ruhen lassen, statt sie zu veröffentlichen. Wenn das gelingt, wenn ich den Eindruck bekomme: Da hatte jemand ein paar schöne Stunden mit meiner Geschichte, dann freut mich das.
Abseits von RHODAN bist du sowohl im SF als auch im Fantasy-Bereich präsent. Welches Buch sollte man in diesen Bereichen von dir als nächstes lesen (bevor man alle anderen auch liest)?
Mein bestes Buch ist nach meiner eigenen Einschätzung Das Imago-Projekt, das ich auch auf der Feier zu PERRY RHODAN 3000 in München vorstellen durfte. Romane leben von ihren Figuren, und in diesem Fall bin ich sehr stolz auf die Hauptfigur. Sie ist weder Pilotin noch Soldatin oder Wissenschaftlerin, was typische SF-Archetypen mit einem wohlbekannten Strauß an üblichen Konflikten und Handlungsmustern sind. Stattdessen schicke ich mit Kara Jeskon eine Diplomatin ins Rennen, die über die gesamte Geschichte – mit wechselndem Erfolg – versucht, den großen Knall zu verhindern. Das war für mich beim Schreiben eine sehr erfrischende Perspektive, ein ganz neuer Winkel, eine Geschichte zu entdecken.
Woran arbeitest du als nächstes?
Aktuell schließe ich meine Fantasy-Trilogie GEZEITEN DER MACHT ab. Der Auftaktband BERG DER MACHT ist im Februar erschienen, STRÖME DER MACHT ist im Druck und sollte Anfang August in den Buchläden ausliegen, und unter das Manuskript von RUINEN DER MACHT habe ich gestern das Wort ›Ende‹ getippt. Dieser Abschlussband soll im Februar 2020 erscheinen.
In dieser Trilogie sind Magier keine Gelehrten, sondern Handwerker, denn die Macht liegt im Stein. Als Steinmetze meißeln sie ihre Zauber. Der älteste und härteste Stein liegt im Berg Ianapat. Dort kann man unsterblich werden, kann die tiefen Kavernen dann aber nie wieder verlassen. Deswegen sind Maler sehr angesehen, die in die Welt hinausziehen, ihre Schönheit erkunden und in Form von Gemälden den Unsterblichen schenken.
Eine der Hauptfiguren ist ein solcher Maler. Eine andere ist ein Krieger, der gegen die Macht aufbegehrt, die der Berg brutal durchsetzt. Dann gibt es noch die Tochter eines Grafen, die damit hadert, dass sie als Frau nicht herrschen darf, und eine Magierin, die einen gefährlichen Traum träumt. Insgesamt eine brisante Mischung, denn alle wissen, dass die Geister im Berg viele Ziele verfolgen – aber das Glück der Sterblichen ist keines davon …
Robert, danke für deine Zeit.
Homepage des Autors: http://www.robertcorvus.de
Hier geht’s zum ebook:
https://perry-rhodan.net/shop/item/9783845351018/dunkelwelten-2-schwarze-frucht-von-robert-corvus-e-book-epub
Hier zum Buch: https://perry-rhodan.net/shop/item/9783404209439/perry-rhodan-schwarze-frucht-von-robert-corvus-kartoniertes-buch
Und ein Hörbuch gibt es auch:
https://perry-rhodan.net/shop/item/9783838792118/schwarze-frucht-dunkelwelten-perry-rhodan-2-ungekurzt-von-robert-corvus-horbuch-download-mp3