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Stellaris 77 – Fragen an Gerhard Huber

Mit STELLARIS 77 schrieb Gerhard Huber seine zweite STELLARIS-Story. Er ist aber nicht nur Autor, sondern auch Zuständig für die Live-Leseberichte in der STELLARIS-Facebook-Gruppe. Da er verständlicherweise seine eigene Story nicht kommentierten möchte, bin ich ausgerückt und ausnahmsweise seinen Job zu übernehmen. Dabei entstanden Fragen zu den einzelnen Szenen zur STELLARIS 77 »Die Sehnsucht der Flechte«.

Datei:Stellaris77.jpg

Szene 1:
Oha … ein Oxtorner, der sich von einer Jülziish bezaubern lässt.
Gerhard, wie stehst du zum Thema »Erotik« auf und in der STELLARIS?

Tja, Erotik bei STELLARIS und PERRY. Das ist ein etwa so diffiziles und komplexes Thema wie eine PERRY-Verfilmung. Nein, im Ernst: Schreibtechnisch ist Erotik in meinen Augen ein schwieriges Terrain. Klar, wenn das in meiner Geschichte gepasst hätte, warum nicht. Bei bestimmten Themen, wie eben Erotik, ist es in meinen Augen schöner, bei Andeutungen zu bleiben. Im Fall des angesprochenen Oxtorners und der Jülziish soll es dem Leser überlassen bleiben, ob und was sich da entwickelt. Das hat nichts mit Prüderie zu tun, aber ich denke, dass es schwierig ist, eine erotische Szene gut und ansprechend zu schreiben, weil es schnell plump, banal oder schlichtweg peinlich oder dümmlich wirken kann. Ich kenne wenige Autoren, die das gut hinkriegen, denn ehrlich gesagt, sobald ich etwas lese von purpurbehelmten Lanzen, die in irgendwelche samtwarmen Grotten eindringen, dann bekomme ich Lachkrämpfe und fühle mich eher zu Ritterromanen inspiriert.

Das ist auch bei Horror- oder Gruselgeschichten so. Nichts dagegen, wenn Köpfe rollen und Blut spritzt, nur muss man das nicht ausschweifend beschreiben wegen des Effekts. Ich erinnere mich z.B. an die Schlussszene des Films »The Fog – Nebel des Grauens« von John Carpenter, da wird der Protagonist tomopatenwürdig enthauptet oder aufgeschlitzt. Man sieht eben nur wie das Schwert geschwungen wird und man hört ein ziemlich eindrückliches Geräusch mit dem zugleich der Abspann mit entsprechend gruseliger Musik einsetzt. Da spielt sich mehr Kopfkino ab, das ist wesentlich eindrücklicher, als das Blut spritzen und Köpfe rollen zu sehen. Und das kann man, abgesehen vom spritzenden Blut oder rollenden Köpfen, auch auf die Erotik übertragen.

Und ich stelle mir gerade die Frage: Was findet ein Oxtorner an einer Jülziish attraktiv?

Gute Frage, das müsste man einen Oxtorner fragen. Aber Deran deutet es an in meiner Story, er findet z.B. wohl Syipyrds blauen Flaum schön. Vielleicht wie ein Terraner eine spezielle Haarfarbe mag oder dergleichen. Hm, wir sollten Monkey fragen. Aber der wird wohl eher schweigen.

Und wären die beiden überhaupt kompatibel, sprich wie sehen die Kinder aus?

Warum nicht? Bei PERRY gab es schon verschiedenste, nun ja, Konstellationen. Und im Grunde braucht es doch keine Science Fiction für derlei Kompabilitäten. Wenn man sich so die Flora und Fauna unseres Planeten ansieht, dann gibt es da die unterschiedlichsten, ungewöhnlichsten und erstaunlichsten Dinge. Da ist die Fantasie eines Autors doch nur ein kleines Licht im Vergleich zur Natur.

 Und wie haben ein Jülziish-Leichtgewicht und ein Oxtorner-Schwergewicht eigentlich Sex?

Tja, da ich dergleichen, siehe oben, nicht beschreiben würde, sollten wir diese Frage vielleicht auch einer Jülziish oder einem Oxtorner stellen. Wir brauchen wohl mal eine Hyperfunkverbindung mit Monkey. Vielleicht hat er mit der eher leichtgewichtigen Zemina Paath inzwischen mehr, nun ja, Erfahrung gesammelt ?

Wie kann ein Wesen von der Gestalt eines Okrills in einem Wasserabfluss verschwinden?

Ich würde sagen: ganz einfach. Achtung Spoiler: Es stellt sich ja später raus, dass das Wesen sich amöbenartig verwandeln kann, es »verflüssigt« sich quasi und fließt dann ab, passt auch in die Versorgungsleitungen der STELLARIS und »schwimmt« sozusagen durchs Schiff. Es nimmt ja nur die Form eines Okrills u.a. an, verbleibt aber nicht so, ist amöbenartig wandelbar.

Szene 2:
So, jetzt bin ich erst mal überrascht, denn ich habe mit einer Lovestory zw. dem Oxtorner und der Jülziish und auch zumindest auf einen Erotikszene zwischen den beiden gehofft. Und jetzt ist es ein Krimi … nix gegen Krimis, aber meine Erwartungshaltung war eine andere …

Tja, ich mag es, Erwartungshaltungen zu zerstören, solang dabei aber dennoch unterhaltsame Texte daraus werden, die dem Leser hoffentlich zusagen.

Was denkst du? Kann ein Raumschiff zur Heimat werden, wenn man einen Planeten gewöhnt ist?

Warum nicht? Es müssen wohl gewisse Voraussetzungen gegeben sein. Genug Platz, passende Lebensbedingungen, künstliche Schwerkraft etc. In einem kleinen engen Spaceshuttle in ständiger Bedrohung, dass ein vorbeifliegender Asteroid die Hülle aufreißen könnte und es dann mit einem gemütlichen Leben schnell vorbei sein kann und dergleichen, da würde ich wohl kaum heimisch werden. Aber Raumschiffe wie man sie bei PERRY kennt oder Raumstationen wie aus »2001 – Odyssee im Weltraum« etc., warum nicht? Da merkt man ja im Grunde nicht, ob man sich in einem Raumschiff oder auf einem Planeten befindet. Zudem kann sich ein Mensch schnell an andere Lebensumstände anpassen oder gewöhnen. Das ist jetzt natürlich ein hinkender Vergleich zu der Relation Planet-Raumschiff, aber meine Frau und ich haben ein paar Jahre auf einer Insel gelebt, die nur mit einem Bahndamm mit dem Festland verbunden ist. Und die ersten Tage in der neuen Umgebung waren schon etwas gewöhnungsbedürftig. Nicht , dass man jetzt in Panik verfällt, aber die erste Zeit denkt man schon ab und an, na, falls jetzt ein Notfall eintritt, dann kommt man nicht so schnell aufs Festland z.B. Aber kurz darauf stehst du dann einfach in der Küche, zugegeben mit Blick aufs Meer, und machst den Abwasch, bist also ganz banal im Alltag angekommen.

Die beiden Myraner Cru und Sil sind die Ermittler. An Bord der STELLARIS gibt es ja viele Besatzungsmitglieder. Was war der Grund, dass du dich für die beiden entschieden hast?

Ohne zu viel verraten zu wollen: die Herkunft der beiden. Das ist Teil der Geschichte, von daher lag es nahe, vor allem auf Cru zu setzen. Und die Thematik Hoffnung, Heimweh und Sehnsucht spielen nicht zuletzt titelgebend eine gewisse Rolle. Passend zur Hoffnung ist die Farbe Grün auch eine Art Element der Story geworden. (Grünhäutige Wesen, grüne Desintegratorstrahlung etc.)

Szene 3:
Die vom Oxtorner angesprochenen Klischees – jeder Oxtorner hat einen  Okrill, alle Aras sind Mediker etc. – bringen mich zur Frage: Welche Klischees gibt es über RHODAN-Leser?

Da gab es doch vor einigen Jahren mal eine Umfrage, in der festgestellt wurde, dass der durchschnittliche PERRY-Leser soweit ich mich grob erinnere: männlich, in einem technischen Beruf und über 50 sei? Gut, wenn man das als Klischee nehmen möchte, aber ob es zutrifft? Ich bin ja beim Mannheimer PERRY-Stammtisch aktiv und wenn ich mir so unsere Besucher anschaue, dann trifft das teils durchaus zu, aber als repräsentativ oder gar Klischee würde ich es nicht bezeichnen. In den letzten Jahren habe ich zudem einige PERRY-Leser getroffen. Auch das Bild oder die Klischees des Nerds oder Geeks allgemein, aber in diesem Fall auch bei PERRY, hat sich doch stark gewandelt, ist nicht mehr unbedingt überhaupt ein Klischee wie es vor, sagen wir, 20 Jahren noch war. In gewisser Weise, Stichwort: »Altleser«, mag das Klischee der Umfrage schon irgendwie zutreffen, aber ich persönlich finde PERRY-Leser alles andere als klischeehaft, sondern reichlich unterschiedlich und individuell, aber eben mit der verbindenden Leidenschaft für PERRY, wie ausgeprägt die auch immer sein mag.

 Szene 4
Wieso sondern zerfallende Moleküle bei Desintegratorbeschuss grünen Staub ab … hm …?

Von Staub schreibe ich glaube ich nichts, es ist die Kristallschicht, die von Desintegratoren eben in ihre Moleküle zerlegt wird. Diese molekulare Auflösung leuchtet grünlich, wenn ich mich recht entsinne bei PERRY grundsätzlich. Warum grün oder warum das überhaupt leuchtet, da bin ich überfragt. Aber Desintegratoren kamen in der Serie doch recht früh zum Einsatz, so mal grob getippt doch bestimmt schon vor oder um Heft 50 rum? Das grüne Leuchten dürfte wohl eine »Erfindung« von Scheer oder Mahr sein? Oder vom jeweiligen Romanautor in dessen Heft ein Desintegrator erstmals zum Einsatz kam? Da müsste man mal einen PERRY-Kundigeren als mich befragen.

Szene 5
Auch nicht schlecht – in jeder Szene kommt eine neue Figur vor, nunmehr der Mediker. Wie leicht fällt es dir, in diese unterschiedlichen Rollen zu schlüpfen?

Ziemlich leicht. Versuch einer Erklärung: Es ist wohl so eine Mischung aus Beobachtungsgabe, Intuition, Einfühlungsvermögen, Fantasie und zudem Recherche. Natürlich betreibe ich nicht für jede Figur oder jeden Text denselben Aufwand, aber ich vergleiche es gern ungefähr mit dem Method Acting bei Schauspielern. Dustin Hoffmann hat in »Rain Man« beispielsweise einen Autisten gespielt. Es sei dahingestellt wie realistisch Hoffmann das hinbekommen hat, aber er hat wohl vor dem Dreh einige Zeit versucht wie ein Autist zu denken, zu sprechen, sich zu verhalten etc. Und durch derlei Recherche etc. versuche ich auch, einer Figur nahe zu kommen. Allerdings nicht mit derartigem Aufwand bzgl. Recherche oder Zeit wie ein Profischauspieler. Wobei, das könnte erklären, warum ich nach so langer Zeit erst wieder eine STELLARIS-Story geschrieben habe. Allein der Weg nach Myra zur Vorortrecherche und wieder zurück.

Eine Alge als Antagonist … wie gut kennst du dich im biologischen
Bereich aus?

Grundsätzliche interessiere ich mich sehr für naturwissenschaftliche Themen. Als Leistungskurse beim Abitur hatte ich Englisch und Biologie. Und auch wenn ich kein naturwissenschaftliches Studium absolviert habe, aber in meiner Studienzeit gab es doch die ein oder anderen Berührungspunkte. Von daher wage ich mal zu behaupten, dass ich ein halbwegs solides Grundwissen und ein klein wenig Spezialwissen im Bereich Biologie mir angeeignet habe. Die Idee mit der Flechte stammt sogar noch aus Leistungskurszeiten, denn da war die symbiotische Lebensform aus Pilz und Alge Thema. Und leuchtende Algenteppiche kenne ich aus eigener Anschauung von der Zeit auf obig erwähnter Insel. Das alles hat sich irgendwie eingeprägt und musste jetzt wohl mal zu einer Science Fiction-Lebensform werden. Apropos Grund- oder Spezialwissen, man könnte es auch Bonusantwort oder Besserwisserei nennen: Pilze sind nicht wie meist angenommen Pflanzen, sondern sind neben Pflanzen und Tieren ein eigenständiger dritter Bereich der sogenannten eukaryotischen Lebewesen. Wer jetzt nicht weiß, was eukaryotisch (auch: eukaryontisch) bedeutet, dessen naturwissenschaftliche Neugier möge ich nun geweckt haben.

Szene 6
Und erneut eine neue Figur. Ich denke, dass ist die STELLARIS-Story mit den größten Figurenensemble.

Das ist jetzt eigentlich keine Frage, aber ich versuche mal eine Antwort. Hm, ob größtes Figurenensemble, ich weiß nicht. Es gibt doch auch Geschichten, beispielsweise »Linearraum-Rhapsodie« von Michael Tinnefeld (Folge 75), wo gefühlt die gesamte STELLARIS-Besatzung in mancher Szene einem Pianisten lauscht. Und dann kommen noch Piraten dazu. Aber ich weiß, was Du meinst. Grundsätzlich ist es für Kurzgeschichten oder auch im Heftroman nicht üblich, abgesehen von ein paar wenigen oder nur einer Perspektivfigur, für den Leser noch weitere Figuren ins Spiel zu bringen.

Jede Figur muss dem Leser nahegebracht werden. Speziell in der SF, oder in dem Fall PERRY, kann man als Autor nicht voraussetzen, dass der Leser weiß, wie ein Oxtorner aussieht z.B. Andererseits ist mehr Personal auch abwechslungsreicher, es kann einer Story auch mehr Facetten, mehr Möglichkeiten geben. Du hattest ja meine Story weiter oben als Krimi eingeordnet. Ein Hercule Poirot ermittelt in der Regel allein, aber nehmen wir z.B. »Mord im Orient-Express«: Ein Ermittler, doch die Zugabteile sind nicht unbedingt leer. Agatha Christie hätte sich auch auf einen Ermittler, eine Leiche und den Mörder beschränken können, aber dann ist die Story witzlos. Man braucht auch Verdächtige oder »Anlaufstationen«, die dem Ermittler Hinweise geben z.B.

Michael Tinnefeld und ich hatten bei unserem PERRY-FanEdition-Roman »Die Heilerin von Hangay« ebenso ein unüblich großes Ensemble, was aber für die Story funktioniert hat. Abgesehen davon, dass wir bei der Einführung, Beschreibung mancher Figur etwas nachlässig waren für unbedarfte Leser. Aber für ein Planetenabenteuer, bei dem man ein Ensemble hat, das man mehr oder weniger unvorhersehbar für den Leser dezimieren kann, hat schon seinen schriftstellerischen Reiz! Siehe im heutigen TV-/Streaming-Erzählen beispielsweise »Game of Thrones«. Sehr großes Ensemble oder weißt du auf Anhieb, wer wann welche Intrige gegen wen ausheckt und wer wann wie überraschend gemeuchelt wurde, obwohl Hauptfigur? Da könnte man G.R.R. Martin auch vorwerfen, er hätte sich auf drei Hauptfiguren konzentrieren sollen. Aber derartiges Erzählen mit großem Ensemble hat im Grunde seine Wurzeln z.B. bei Shakespeare oder im Roman-Bereich bei Dostojewski, aber ich schweife gewaltig literaturwissenschaftlich ab. Und so nebenbei, bei dieser Art des Erzählens wäre nicht mal eine gewisse Weltraumratte sicher! Dann wäre der 23. Oktober nicht Gucky-Tag, sondern Gucky-Gedenk-Tag!

Szene 7
Hey, wo bleibt eine neue Figur?

Irgendwann muss auch mal gut sein.

Ein interessanter Twist, der auch erklärt, warum es ausgerechnet die beiden Ermittlern sind.

Danke! Die Lösung des Rätsels war quasi im Kern der Idee mit Myra als Ausgangspunkt so angelegt. Das war auf der einen Seite ein wenig knifflig, aber andererseits auch konsequent, denke ich.

Szene 8
Schöne Auflösung mit Happyend für den »Täter«. Was denkst du? Was ist Heimat?

Ja, Olaf habe ich nichts davon erzählt, aber ich hatte auch ein »alternatives Ende. Ein Vorschlag von Olaf war, dass der Sicherheitschef der STELLARIS das Wesen aufspüren könnte, fiele ja durchaus in seinen Kompetenzbereich. Na, siehe meine obigen Erläuterungen zu Blut spritzen und Köpfe rollen: ich könnte auch anders.

Aber zur eigentlichen Frage: Eine durchaus tiefschürfende, fast philosophische Frage, über die sicher schon viel geschrieben worden ist. Es gibt da den etwas klischeehaften Spruch, so in etwa »Heimat ist, wo das Herz ist«. Da ist durchaus was dran. Sprich: Für mich ist Heimat da, wo ich lebe, liebe, meine Freunde habe etc. das ist nicht unbedingt ortsgebunden. Aber andererseits, gleichzeitig, aber ursprünglicher ist Heimat das, woher ich komme, wo ich aufgewachsen bin, wichtige erste Erfahrungen machte etc. Ich nenne meine niederbayerische Herkunft daher gern alte Heimat, das ist meine Scholle, da sind meine Wurzeln. Wenn ich dort bin, dann spüre ich das unmittelbar, dass ich von dort komme, da kannst mich mit verbundenen Augen hinstellen und ich rieche, schmecke, spüre das, aber das ist vielen Menschen heutzutage glaub ich verloren gegangen. Und ich spreche einen Dialekt, den ich im Alltag nicht immer spreche, in den ich aber immer gerne verfalle, sobald ich altheimischen Boden betrete oder mit Freunden von dort spreche u.ä. Ich glaube, Du verstehst, was ich meine.

Gerhard, danke für deine Zeit.