(Rezension) Robert Corvus – Der Leidbringer (PR 2885)

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Der Leidbringer – Robert Corvus (PR 2885)

Der Kampf der Tiuphoren gegen die Gyanli geht weiter. »Der Leidbringer« schließt sich handlungstechnisch an »Unter allem Grund« an. Der zweite Teil des Doppelromans führt Perry Rhodan und Pey-Ceyan quer über den Planeten Tiu.

Die Landung gelingt spektakulär, denn der Beschuss der großen Gyanli-Schiffe kann der kleinen Space-Jet dank der Wundertechnik der Wuutuloxo nichts anhaben. Dann rücken persönliche Konfrontationen und differenziert gezeichnete Charakteren wie die Soldatin Lutoo, der undurchschaubare Klavtaud, der Gestaltwandler Attilar Leccore und Perry Rhodan in den Vordergrund. Der Unsterbliche tritt als erfahrener Soldat auf, der zum Wohle des Ganzen entscheidet, auch wenn er dadurch seine Freunde nicht schützen kann. Ein Tiuphore erkennt ihn als den ersehnten Leidbringer.

Der Roman ist anschaulich und detailreich geschrieben, mit vielen eindrucksvollen Szenen und gründlich ausgemalten Feinheiten. Allerdings stehen eher gereihte Einzelszenen im Vordergrund, um Textpassagen außenstehender fiktionaler Charaktere ergänzt, so dass es streckenweise schwer ist, den Überblick über den Handlungsfortschritt zu behalten.

Fans von Fantasy und mythischen Soldatenabenteuern mögen sicherlich die tableauartigen Szenen und emotionalen zwischenmenschlichen Begegnungen. Wem das, wie mir, nicht so liegt, kann sich an Lutoos Charakter und den informativen Einschüben über Superintelligenzen erfreuen. Superintelligenzen sind mächtige Gemeinschaftswesen aus Millionen körperloser Bewusstseine, die einen bestimmten Platz in der Kosmologie der PERRY RHODAN-Welt einnehmen und sich weiterentwickeln können.

Sehr schön sind die beschriebenen Orte. Hier ein Textauszug, der die tiuphorische Stadt Baxrotas schildert:

»Sie erreichten einen sechseckigen Platz, den drei Hochhäuser umstanden. Eines davon neigte sich bedenklich, in einer seiner Flanken klaffte ein Riss. Oberhalb von fünfzig Metern Höhe war es sehr schmal, verbreiterte sich aber nach unten hin und endete in einem glühenden Krater. Die Struktur drohte nachzugeben, das Knirschen und Knacken der Träger innerhalb des Gebäudes erinnerte an den rasselnden Atem eines Sterbenden. Die Verbindungsbrücken zu den anderen Gebäuden waren größtenteils eingebrochen. Der Einschlag konnte sich erst vor Kurzem ereignet haben, denn der Schnee lag nur dünn auf den Trümmern.«

Betrachten wir Einzelheiten der Handlung:

Wie gesagt, beginnen wir inmitten von schwerem Beschuss während der Ankunft auf Tiu. Die Tiuphoren werden auf ihrem vermüllten, geknachteten Planeten von den Gyanli beherrscht, hinter denen ein anderer, noch unbekannter Feinden steckt. Im Vorroman flohen Perry Rhodan und seine Begleiter – Pey Ceyan, Attilar Leccore, vor den Gyanli, nachdem sie den für die Amphibienabkömmlinge so wichtigen Fluid mit Neurokrill stehlen konnten. Den brauchen die Gyanli, um an ihrem Gemeinschaftstraum – den Kollekttraum – teilzunehmen. Doch der Erfolg ist eine Farce: Lutoo hat den Neurokrill des Bassins präpariert, er sendet Signale, denen die Gyanli folgen können. Durch ihr unnachvollziehbar leistungsfähige Technik können die Wuutiluxo daraus einen Vorteil drehen, so dass die Gruppe jenen selbstmörderisch waghalsigen Anflug auf Tiu und die Vernichtung der Yacht vortäuschen kann.

Eine Figur wurde inkonsequent gestaltet: Der im Vorroman so beherrschte Tiuphore Mixandrac kreischt vor Entsetzen, während Rhodan die unter schwerstem Beschuss stehende Raumyacht souverän steuert und dabei die neuen Utensilien aufzählt und beschreibt. Was daran liegen kann, dass ihn dort Leccore beobachtet, der ihn genau versteht, und hier Rhodan die Reflektorfigur abgibt. Der Bruch fällt trotzdem unangenehm auf. Nett wiederum: Dass Mixandracs Bruder in der Stadt Baxrotas lebt, gibt den Ausschlag, dort zu landen.

Baxrotas grenzt an das Municipium Gothud, den sauberen Wohnbezirk der Gyanli, in den die im Gyanli-Müll hausenden Tiuphoren arbeiten gehen. Rhodan war zuletzt auf seiner Geistreise als Bewusstsein im Catiuphat auf Tiu, einem 2000 Jahre zurückliegenden Tiu. Die Zustände auf dem mit Müll zugeworfenen Planeten sind seitdem nur schlimmer geworden. Mit der Ethofolie aus der Wundertechnik der Wuutuloxo wird er mit Gyanli und Pey-Ceyan zur Tiuphorin.

Pey-Ceyan ist neuerdings Telepathin. Sie entnimmt sie den Gedanken einer Frau die sie vor einer Gruppe Randalierer, retten, dass Mixandracs Bruder Jellroc festgenommen wurde. Zu seiner Befreiung spricht Rhodan beim zuständigen OrthOpt Omriaut vor. Der glaubt, er habe es mit einem Geheimdienstler zu tun zu haben und lässt Jellroc laufen.

Jellroc verherrlicht das Leid, das die Gyanli dem Widerstand zufügen, als Weg zu Rettung. Rhodan sieht er als den idealen Leidbringer, weil er nichts für die Tiuphoren empfindet. Mixandrac wiederum möchte zum Konvent der Katalogiker in der Stadt Ouxulla weiterreisen. Sein Ziel ist Das Zusammensetzen des Kalyptischen Katalogs, der aus verstreuten mündlichen Überlieferungen besteht. Seine zentrale Aussage: Leid ist gleichbedeutend mit dem Ruf zur Erlösung.

Die Katalogiker glauben, dass die Qual der Tiuphoren ein Übermaß erreichen muss. Dann, so meinen sie, werde ihnen Hilfe zuteil – so wie es vor 2000 Jahren, als der größte Teil des Volkes den Planeten verließ und das Unbegrenzte Imperium gründete. Jellroc möchte keine Verbesserung der Lebensverhältnisse ihres Volkes, sondern eine Zunahme des Leids durch Anschläge. Prompt geraten sie in einen blutigen Überfall. Die rücksichtslose Härte der Gyanli, die zur Vergeltung blindlings Unschuldige töten, erklärt Jellroc damit, dass das »Pavvat« sie abhärte.

Rhodan führt eine Streitmacht der Rebellen zur ODYSSEUS und stattet sie mit Waffen aus. Attilar Leccore erkennt den Begriff »Pavvat«: Das Wesen namens Pushaitis, das in der Maske Klavtauds unterwegs war, nannte drei Maschinisten des Pavvat, von denen es einer ist. Dieses Wesen wollen sie fangen, weil es mehr über KOSH und die in Entstehung begriffene Materiesenke wissen muss.

Klavtaud will sich auf Tiu umsehen und auch mit dem gefangenen Rebellenführer sprechen. Als das Neurokrill-Peilsignal wieder messbar wird, glauben Lutoo und Klavtaud zu Recht an eine Falle. Klavtaud lässt einen heftigen Kampf der Rebellen gegen die Gyanli-Kampftruppen zu, der eskaliert. Die Wuutuloxo Jurukao stirbt, weil Rhodan zum Wohl des Ganzen kein Gefährt freistellt. Die sich entspinnende Auseinandersetzung mit Pey-Ceyan diskutiert die Grundlagen verantwortlichen Handeln nur allzu deutlich. Bisschen subtiler wäre mir lieber. Allerdings versteht so wohl wirklich jeder Leser, welchen Konflikt Rhodan hat. 

Nun folgt allerdings eine wirklich spannende, weil innere Auseinandersetzung: Klavtaud begibt sich freiwillig in eine zweite Falle. Diesmal ist sie vorbereitet, überwindet Leccores mentale Verteidigung, dringt tief in den Geist des Gestaltwandlers vor, zerstört alle Template und greift nach Leccores Ur-Ich. Doch den wahren Wesenskern des Koda Aratiers bekommt sie nicht, denn Leccore hatte ihnn quasi vor sich selbst versteckt. Pushaitis legt ihn frei.

Was sie nun betrachtet, lenkt sie ab, so dass Leccore geistig zurückschlagen kann: Er bemerkt zersplitterte Erinnerungsbilder und eine namenlose Gier. Pushaitis empfindet sich als weiblich und ist eine Pakushan, eine von drei Maschinisten des Pavvat, kein Lebewesen. Ihre Gedanken werden von einer sechsdimensionalen Spule erzeugt. Die drei haben einen gigantischen Schiffbruch überstanden.

Klavtaud/Pushaitis zieht sich aus Leccores Geist zurück. Der Kampf steht unentschieden: Die Rebellen könnten Klavtaud beschießen, doch danach wären sie tot. Lutoo respektiert die Terraner als würdige Gegner respektiert und gewährt freien Abzug.

Zwei Tage später wacht Leccore auf der Krankenstation der ODYSSEUS auf. Da löst sich ein Raumschiff aus dem Ortungsschutz der Sonne Lichfahne A: die RAS TSCHUBAI! Dies führt die beiden Handlungstränge des Zyklus zusammen und gibt einen richtig guten Cliffhanger ab. Tatsächlich wird in den Folgeromanen ja recht viel geschehen. Dieser Roman gefällt Lesern, die anschauliche Szenen, eine Reihung kleinerer Handlungsabschnitte und manchmal überdeutlich dargestellte Gefühle mögen.