(Rezension) Michelle Stern – Tod im Aggregat (PR 2880)

Das Titelbild zeigt Lua Virtanen und Vogel Ziellos, das genetisch konstruierte Liebespaar, das sein Heimatschiff ATLANC verloren hat und durch einen gemeinsamen Zellaktivator unsterblich ist, solange sie zusammenbleiben. Sie müssen sich in einer Verfolgungsjagd auf Leben und Tod behaupten.

2880tibi

Insofern führt der Titel in die Irre: Der Roman handelt vom Überleben. Der Tod ist der Gyanli Wyhdomadr, der Mörder, Unterdrücker und Herrenmensch – Herrenamphib – der das Überleben der bunten Multikulti-Gesellschaft im vielkilometerlang zum Kreuz montierten Sammelsurium von Raumschiffen aller anderen Vöker Orpleyds, dem Aggregat, in keiner Weise begrüßt, sondern ihr den Garaus machen möchte, indem er Daten hinausschmuggelt. Was diese wiederum strikt zu unterbinden sucht, verständlicherweise. Die Gegner umschleichen einander, stellen Fallen – und obwohl alle überleben, geben sie latent den Tod in Form des umkämpften Objekts weiter, was einen Folgethriller einleitet. Insofern ist dieser Krimi ein Zukunftsroman. Im Folgeheft geht er weiter.

Die Fluchtburg, das Aggregat, das die Gyanli hochjagen möchten, ist in einem Staubgürtel verborgen, der Orientierung und Telepathie fast unmöglich macht. Einige der amphibischen Humanoiden haben sich an Bord geschlichen, den Nachrichtendienst angezapft und bei einem Überfall auf Lua, Vogel und ihn dem Navigator To’Anum Che, einer intelligenten Pflanze, Geninformation entnommen, mit der man durch den Staubgürtel navigieren kann. Wenn die Gyanli es entschlüsseln, erhalten sie die Möglichkeit, die in ihren Augen widerlich aussehenden Minderwertigen zu vernichten, die sich gegen ihre Herrschaft stellen.

Wyhdomadr ist ein Orthodox-Operator, das ist eine Art Geheimdienstmann und ausgesprochen gefährlich. Die Gyanli kamen an Bord, weil sie ein Besatzungsmitglied mit der Drohung erpressten, einen ganzen von seinen Artgenossen bevölkerten Kontinent auszulöschen. Lua Virtanen und Vogel Ziellos sind zu Beginn des Romans ihre Gefangenen, können sich befreien und damit beginnt die Jagd.

Wider meine Gewohnheit werde ich nicht mehr über den weiteren Verlauf verraten, weil der Roman von seiner Spannung lebt. Die unterhaltsamen Bewohner des Aggregats treten überall auf, stehen jedoch eher am Rande, während die Gefühle und Handlungen der Kontrahenden – ihre Aktionen, Schlichen, ihr gegenseitiges Belauern – im Vordergrund stehen. Das Lauern und leise Schleichen bietet ausgiebig Gelegenheit, viel über sie mitzubekommen. Bei Lua und Vogel sind dies vor allen Gefühle und Reaktionen, während der Gyanli von den vielfältigen Möglichkeiten seines Körpers Gebrauch macht und seinem Rassedünkel frönt.

Man kann bedauern, dass diese Wahrnehmungen momenthaft und einfach bleiben, dass die Autorin immer wieder die Aktionen von Wyhdomadrs Drifthäuten mit einfachen Verben beschreibt statt diese fremdartige Form der Wahrnehmung voll hochzufahren. Und dass die beiden Jugendlichen altersbedingt einfache Gefühle haben. Eine der beiden Parteien in der ersten Person erzählen zu lassen statt in der erlebten Rede, verstärkt vielleicht noch durch unterschiedlichen Sprachduktus, wie er in den Gedanken des Gyanli angelegt ist, hätte interessante Möglichkeiten geboten.

Mir hätte mehr Differenzierung, mehr Komplexität in dieser Hinsicht wesentlich besser gefallen. Und noch viel mehr Setting. Allerdings interessieren Action und Spannung an sich mich kaum, weshalb große Teile des Romans mich nicht wirklich banden. Ich brauche andere Anreize, um mich mit den Personen zu identifizieren. Doch für Leser, die schnelle Handlung und viel persönliche Interaktion im emotionalen Bereich lesen wollen, ist dies wohl genau der ausschlaggebene Faktor, das Heft zu mögen.