Kai Hirdt verrät im Interview wieso er alle Szenen penibel durchplant und ab wann ein unerschütterlicher Optimist wie Rhodan eigentlich entmündigt gehört.
Kai, wenn man wie du zwei SOL-Miniserien konzipiert hat, liest man dann die Expos von Kollegen anders? Denkst du darüber nach, was du anders gemacht hättest?
Exposés schreiben schafft grundsätzlich einen neuen Respekt für die Arbeit der Kollegen, die genau denselben Job haben. Ich habe gelernt: Exposéautoren machen Fehler, und die Romanautoren müssen sie ausbügeln. Darüber habe ich mich oft geärgert und wollte das bei meinen Expos vermeiden. Ich bin natürlich krachend gescheitert … Fehlerfreies Arbeiten gibt es einfach nicht.
Mit dieser Vorrede: Ben macht mit den Exposés sehr viel richtig, und die kleineren Schönheitsfehler waren leicht repariert. Vor allem gelingt ihm manches besser, was ich mir bei Mission SOL als Ziel gesetzt hatte. Eine Figurenentwicklung wie bei Caysey hatte ich bspw. mit Mahlia Meyun auch vor. Sagen wir mal: Ich habe herausgefunden (und Ben durfte es damals mitverfolgen), wie man das nicht macht. Mahlia ist als Figur interessant, aber ihre Entwicklung hat nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das ist ihm bei Caysey jetzt sehr viel besser gelungen.
Was waren deine ersten Gedanken, als du das ATLANTIS-Konzept gelesen hast?
Hossa, da hat sich jemand aber eine Menge Arbeit gemacht!
Und deine ersten Gedanken, als du dein Expo für Band 7 erhalten hast?
Als erstes: Hey, die Geschichte funktioniert ohne große Überarbeitung. Ich habe sogar die Kapitelstruktur beibehalten wie von Ben vorgeschlagen – das ist in acht Jahren, die ich jetzt Heftromane schreibe, nie vorher passiert, dass ich das Expo nicht nach meinem Bedarf umgebaut habe.
Dann: Oh, wow, endlich mal jemand, der sich über Figurenentwicklung genauso viel Gedanken macht wie über Plot. Ben und ich haben eine sehr ähnliche Herangehensweise an das Planen einer Geschichte. Um meine mal zu skizzieren: Wer ist die Hauptfigur, was ist ihre Aufgabe in dieser Geschichte, welche Höhen und Tiefen macht sie auf dem Weg zum Ziel durch? Diese Fragen (und ein paar mehr) muss ich beantworten können, bevor ich anfange, die Geschichte zu schreiben. Nicht alle Exposéautoren legen die Schwerpunkte genau darauf – was völlig legitim ist. Aber Ben tut es, und das ist angenehm kompatibel mit meiner eigenen Arbeitsweise.
Was wirst du von Bens Exposes in deine Zukünftigen übernehme?
Die Exposés selbst ähneln meinen, da hat er viel von meinem Format aus Mission SOL geklaut, das ich wiederum aus den NEO-Exposés entwickelt hatte. Was Ben aber erheblich besser macht als ich, sind die Datenblätter. Es gibt eine unglaublich detaillierte Beschreibung von Atlantis, nicht nur mit den Schauplätzen der Geschichte, sondern auf allem, was dazwischen liegt. Welche Regionen gibt es, wie sind dort Klima, Landschaft und Vegetation. Es ist eben nicht nur ein Land oder eine Insel, sondern ein ganzer Kontinent. Und je nachdem, wo unsere Helden gerade unterwegs sind, stellt das Terrain sie vor ganz andere Aufgaben. Wenn ich etwas in Europa beschriebe, müsste ich auch wissen, ob die Belegschaft gerade in Portugal, Finnland oder der norddeutschen Tiefebene unterwegs ist. Das füllt die Geschichte mit den Details, die gar nicht im Zentrum stehen und für den Plot nicht sehr wichtig sind, die aber viel für das Leseerlebnis leisten.
Es gibt Instinktschreiber und Planer. Zu welcher Fraktion zählst du dich? Und was ist der Grund?
Planer. Hochneurotischer Planer. Bei schwierigen Expos mit vier separaten Planungsphasen, die sich über Wochen hinziehen und von Schritt zu Schritt detaillierter werden. Dabei gibt es eine Phase des heftigen Rumspinnens, in der ich dem Instinkt folge. Aber die Ergebnisse werden wieder in einen Plan überführt, bevor es ans Schreiben geht.
Das heißt allerdings nicht, dass ich beim Schreiben selbst den Instinkt ausknipse. Manchmal erweist sich der Plan, der theoretisch so gut klang, als untauglich, ohne dass ich sofort sagen könnte, weshalb. Es ist dann eigentlich alles da, was eine gute Geschichte ausmacht – genug Schreiberfahrung dafür hab ich ja. Und trotzdem sagt das Bauchgefühl: langweilig. Da ist dann Ursachenforschung während des Schreibens angesagt. Auch hier gilt: Ich muss das Problem finden und brauche einen Plan zur Lösung.
Gründe sind wohl zwei: Zum einen hasse ich es, für die Tonne zu arbeiten. Ich weiß von einem Kollegen, der munter drauflos schreibt und am Ende ein Viertel seines Textes wieder streicht, um genug gutes Material zu haben. Da würde ich durchdrehen, wenn ich von vornherein weiß, dass ein Viertel meiner Arbeit für den Müll ist. Zum anderen nimmt ein guter Plan einen Teil der Unsicherheit, die mit jeder kreativen Arbeit einhergeht. Ich weiß, dass ich nicht kilometerweit in eine Sackgasse hineinfahre.
Wie leicht hast du dir mit Quartam da Quertamagin getan?
Quartam ist mein heimlicher Held. Aber darüber lasse ich mich lang im Warpcast, dem Podcast von Warp-Core (https://warpcast.podigee.io/ ) aus. Ich empfehle, dort reinzuhören.
Du hattest für den Roman eine große Auswahl an Figuren aus deren Perspektive du erzählen konntest. Was war der Grund, dass es Rhodan geworden ist?
Vieles erzwingt die Geschichte. Ich versuche, immer möglichst wenige Perspektiven im Roman zu haben. Meist zwei, selten nur eine. Jede Perspektivfigur erfordert ja ihre eigene kleine Geschichte, wenn der Leser ihre Sicht der Dinge interessant finden soll. Mit zu vielen davon auf Heftromanlänge verzettelt ma sich aber. Dann fehlt der Platz, um das richtig auszuarbeiten.
Manche Geschichten erfordern allerdings mehr, Atlantis 7 beispielsweise drei. Der Roman hat einen Handlungsstrang auf der Erde, da brauche ich eine Figur. Wobei ich als kleine Würzdosis einen Prolog und Epilog aus der Sicht von dessen Gegenspieler drin habe – das sind aber sehr kurze Abschnitte.
Dann gibt es den Strang auf dem Raumschiff STRAHLKRAFT. Dort splittet das Team sich auf. Also brauche ich hier ebenfalls zwei Figuren, aus deren Sicht ich erzähle. Eine muss dauerhaft bei Handlungsstrang A, die andere dauerhaft bei Handlungsstrang B dabei sein. In Strang A will ich ein paar Geheimnisse wahren. Eine Figur tut etwas, das der Leser erst später erfahren soll. Damit ist diese Figur raus, und es bleibt nur eine Kandidatin übrig, nämlich Sichu.
Noch banaler ist die Entscheidung für Rhodan: In Handlungsstrang B gibt es einen Moment, wo er als einzige Figur des Teams bei Bewusstsein ist. Das geht also überhaupt nur aus seiner Sicht. Außerdem kennt die Art Raumschiff, auf der er sich bewegt. Das ermöglicht tiefergehende Überlegungen und Einordnungen, als beispielsweise aus Atlans oder Geektors Sicht möglich wären.
Wenn ich jetzt noch großartig weitere Perspektiven zu diesen drei Hauptfiguren hinzunehme, wird das Ganze irgendwann Kraut und Rüben und bietet keine runde Geschichte mehr. Daher bleibt das Credo: So viel, wie die Geschichte erfordert, und so wenig wie möglich.
Obwohl Perry am Ende der Verlierer ist, gibt er nicht auf. Er geht davon aus, dass er einen Weg findet, Tolcai, immerhin ein Kosmokratenroboter, das Talagon wieder abzujagen. Wie bitte soll das gehen?
Easy. Perry klaut ihm das Schmiermittel, und seine Gelenke rosten fest.
Du erwähnst einige Male in deinem Band, dass Rhodan ein unerschütterlicher Optimist ist. Wie gehts dir damit? Wärst du in seiner Lage auch ein Optimist?
Wenn man bedenkt, was Rhodan alles überlebt hat, muss er wohl daran glauben, dass es immer irgendwie einen Ausweg gibt. Ich hatte schon mal ein Erstauflagen-Exposé, in dem Rhodan ein einzelnes Schiff in eine Flotte von 250.000 technisch überlegenen Feindschiffen hineinsteuert. Das war für mich als Autor dann schon eine Aufgabe, bei der ich mich gefragt habe, ab wann überbordender Optimismus eigentlich zur Entmündigung führen sollte.
Ich selbst neige zu Optimismus aus Bequemlichkeit. Es ist mir viel zu anstrengend, lauter Notfallpläne für Schreckensszenarien im Kopf zu haben, die vermutlich nie eintreten. Wenn etwas gegen die Wahrscheinlichkeit schiefgeht, beschäftige ich mich damit, wenn es soweit ist.
Das Talagon stellt sich als Proto-Nekrosphäre heraus, ein Mittel der Chaotarchen. Was bitte ist in Tolcai gefahren, dass er ein Machtmittel
der Chaotarchen erstens in Händen hält und zweitens auch noch verwenden will? Hat er seine Job-Anforderungen nicht verstanden?
Davon müssen wir im Moment wohl ausgehen. Mit etwas Glück erfahren wir in den folgenden Bänden noch etwas mehr dazu.
Du hast ein paar Enthüllungen in deinem Band – ist das die Salz in der Suppe eines Romans?
Nicht so sehr. Enthüllungen bleiben zwar beim Leser haften, aber es bleibt ein schales Gefühl zurück, wenn diese nicht schwer erkämpft oder mühsam verdient sind. Extrembeispiel: Ich kann 60 Seiten mit einer Beschreibung füllen, wie Rhodan in Terrania spazierengeht, und am Ende findet er einen Zettel auf der Straße mit der Antwort auf die Dritte Ultimate Frage. Das wäre eine ziemliche Enthüllung, aber trotzdem eine schlechte Geschichte.
Die bessere Beschreibung ist vielleicht: Enthüllungen sind der Faden, der die Serie zusammenhält. Was wir bei mir über Tolcai erfahren, wird natürlich in Zukunft hochrelevant. Aber für meinen Roman, die Nummer 7, spielt es eigentlich überhaupt keine Rolle. Bei mir geht es darum, wie sich das Verhältnis zwischen Rhodan und Atlan entwickelt. Dafür wiederum waren die Enthüllungen der Bände 5 und 6 sehr wichtig.
Auch an dich die Frage, wo Bens Stärken liegen?
Ich bin bei den Exposés mit vielem hochzufrieden. Der Plot gibt Sinn, jeder Roman hat eine etwa gleich bedeutende Rolle in der gesamten Dramaturgie, die Figuren sind interessant und lebendig – das ist schon eine sehr runde Sache, die der Kollege da abliefert.
Danke für deine Zeit.
Hier gehts zum ebook, zur Lese- und Hörprobe:
https://perry-rhodan.net/shop/item/9783845351674/atlantis-7-tolcais-totenspiele-von-kai-hirdt-e-book-epub
Hier geht’s zum Heft:
https://perry-rhodan.net/shop/item/9999900007732/atlantis-7-tolcais-totenspiele-von-kai-hirdt-heft
Autorenseite auf der PR-Homepage
https://perry-rhodan.net/infothek/team/aktive-autoren/kai-hirdt
Kai Hirdt in der Perrypedia
https://www.perrypedia.de/wiki/Kai_Hirdt