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»Die besten Jahre meines Lebens« von Rous

Da fand ich mich also nun. Vor mir die Reihen der Sitzkörbe gefüllt mit den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften, dem Kollegium meines Forschungsinstitutes auf diesem Planeten und den Studierenden, dazu ein paar persönlichen Freunden. Und natürlich die Ohren und Augen der Publivision. Im erhöhten Hängekorb neben mir nahm soeben die Vertreterin der Galaktischen Kommission für Kulturtechniken Platz und schlang den Greifschwanz mit einer unnachahmlich eleganten Bewegung um den schlanken Leib.
Warum saß ich hier im Ehrenkorb? Nun, es war meine Verabschiedung aus dem Berufsleben. Sechzig Jahre lang hatte ich mich meinen Forschungen gewidmet, die meiste Zeit im Feldeinsatz auf diesem Planeten, der seit einem Jahrzehnt – woran ich nicht ganz unschuldig war – im Zentrum der gesellschaftspolitischen und historischen Forschung stand.

Die Vertreterin der Kommission erhob die Hände und ergriff das Wort.
»Meine sehr verehrten Anwesenden, verehrter Kollege. Ich entbiete Ihnen die Grüße des Galaktischen Triogenats zu dieser Feierstunde, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, einige Worte zu Ihren Verdiensten zu sprechen und Ihr Lebenswerk zu würdigen.«
Sie klappte das Pult an ihrem Korb aus und legte einen stattlichen Stapel Notizen darauf. Ein Saaldiener eilte herbei und stellte beflissen ein Glas Wasser dazu.
»Ihre Entdeckung auf diesem Planeten, verehrter Kollege, bildet zusammen mit den zwei anderen bahnbrechenden Erkenntnissen, von denen ich gleich kurz sprechen werde, um die richtigen Zusammenhänge herzustellen, eine Reihe, nein, eine durch weithin hallende Hammerschläge geschmiedete Kette, die den Hängekorb unserer galaktischen Kultur trägt, wenn ich diese Metapher gebrauchen darf.
Ich will jetzt kein Wasser nach Travens Planet tragen, wer würde das tun, aber es sei mir erlaubt, das Echelon dieser Hammerschläge in dieser interessierten Versammlung zu Gehör zu bringen.«
Befriedigt registrierte ich, dass ein Student in der letzten Reihe heimlich gähnte. Die Vertreterin der Galaktischen Kommission für Kulturtechniken schob das erste Blatt unter ihren Stapel.
»Ich beginne mit der epochalen Erkenntnis von Yīzhngshítou. Die kolportierte Geschichte besagt, dass sie im Bildungskanal ein Flip der elementaren Raumvermessung anschaute und der Lernbegleiter dann Kontrollfragen dazu stellte. Eine war: ›Was ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten?‹ Yīzhngshítous klassische Antwort lautete: ›Ein Loch.‹ Die anderen Scholaren feixten und keckerten, während der Lernbegleiter zu moderieren versuchte: ›Kannst du uns das erläutern?‹ Yīzhngshítou nahm eine Folie, markierte mit dem Schreibstift darauf zwei gegenüberliegende Punkte und faltete sie einmal. Dann stieß sie den Stift durch beide Punkte hindurch und zeigte das entstandene Loch.
Oh, ja, es dauerte noch sechzig Jahre, bis sie den Zhijidong-Antrieb praxisreif entwickelt hatte, aber der Anfang war gemacht. Die ersten Raumschiffe wurden damit ausgerüstet, vom Triogenat ausgesandt, und nach und nach tauchten die in zwei Millionen Jahren Sublicht-Raumfahrt besiedelten und wieder vergessenen Welten aus dem Dunkel des Alls auf, wie Sterne am abendlichen Himmel.«
Die Vertreterin der Galaktischen Kommission für Kulturtechniken nahm einen Schluck Wasser, blickte ins Publikum, schob das zweite Blatt unter ihren Stapel und fuhr fort: »Der zweite Schlag war die Entwicklung der Inseltheorie von Mackerwillsohn.
Die Kernaussage ist, in vereinfachter Form, dass Planeten, die nahe am Herkunftsgebiet der besiedelnden Arten liegen, zu vergleichsweise höheren Artenzahlen tendieren als solche, die weiter entfernt vom Herkunftsgebiet liegen. Und damit war die Frage eröffnet: Wo liegt der Ausgangspunkt der galaktischen Besiedlung?«
Sie holte Luft. Ich beobachtete den gähnenden Studenten. Er hatte die Augen geschlossen.
»In einer ungeheuren Fleißarbeit trugen er und sein Forschungsteam alle biologischen und genetischen Daten der wiederentdeckten Siedlungswelten zusammen und konnten den Finger schließlich auf einen Fleck im siebten Spiralarm, weit abseits der dicht besiedelten Zentrumsregion, legen.«
Sie wandte sich zu mir um, nickte mir zu. Der Student hatte den Kopf jetzt auf die Schulter seiner Nachbarin gelegt.

»Das, verehrter Kollege, war der Punkt, an dem Sie Ihren Hebel ansetzten. Sie trugen die Daten aller Planeten der habitablen Zone in diesem Raumsektor zusammen, wie Entfernung zum Zentralgestirn, Umlaufzeit, Masse, chemische Zusammensetzung. Um es kurz zu machen: Aus Ihren Tabellen stach wie eine Supernova ein Wert hervor; ein Wert nahe Eins: Die Umlaufzeit eines der Planeten, gemessen in Standard-Jahren. Es war schon immer ein Rätsel, warum wir als Zeitstrukturierung ausgerechnet eine so ausgefallene Einheit benutzen, wie das 2,899356060258 mal 10²6-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids ¹³³Cs entsprechenden Strahlung.
Konnte hier die Antwort liegen?«
Sie machte eine Kunstpause. Eine leichte Bewegung durchzog die Reihen. Der Student schnarchte.
»Um es kurz zu machen, verehrtes Publikum, Sie glaubten es und wir glauben nach 60 Jahren Forschung nunmehr ebenfalls: Ja.
Sie hatten Ihre Berufung gefunden. Sie überzeugten die Gremien, sammelten Fördergelder, stellten ein Team zusammen und flogen los.«

Ich erinnerte mich tatsächlich. Die Bilder der Erinnerung verdrängten den gleichförmigen Fortgang des Vortrags. Siebzehn Tage mussten wir an Bord der TRIVIA überstehen. Als wir das Schiff auf dem Planeten endlich verließen, auf einer weiten, kahlen Ebene am Rande eines großen Sees, fragte ich mich, ob ich nicht völlig verrückt war.
Es war kalt; ein Morgen ohne Sonne. Träge rollten die Wellen gegen den Strand. Die Einsamkeit war bedrückend. Aber nun waren wir hier. Wir entluden das Schiff, bauten das Camp auf und richteten uns ein. Als der See ruhiger wurde, Woge für Woge, schlief ich ein. Nun, fühlte ich, war ich angekommen.
Am nächsten Morgen teilte ich die Teams ein, wir starteten erste Erkundungsflüge und steckten die am interessantesten erscheinenden Claims ab.
Schon aus dem Anflug hatte man erkennen können, dass ein Himmelskörper den Planeten getroffen und große Zerstörungen angerichtet hatte. Weite Gebiete waren mit einer bereits stark verwitterten Lavakruste bedeckt, wie von einem Totenhemd. Aber Archäologen wussten: Was der Feuerregen nicht zerstört, bewahrt er.
Wir begannen ganz klassisch mit unseren Sondierungen und Bohrungen auf Hügeln, die Ebenen beherrschten. Die Worte des Vortrags drängten sich wieder in mein Bewusstsein.

»Ihr Elan und Ihre Zuversicht, lieber Herr Kollege, war der Motor, der das Forschungsteam antrieb und zu seinen Erfolgen führte. Sie waren nie nur Manager von Fördermitteln, Sie waren kein Alpha-Tier, Sie waren Ratgeber und Förderer Ihrer Teammitglieder und freuten sich an deren Erfolgen.«
Ihr Glas war halb voll. Sie nahm einen weiteren Schluck Wasser. Die Studentin war jetzt auch eingenickt. Ältere Akademiker zeigten mehr Geschicklichkeit im Geradehalten der Hälse. Ach ja, wie viele Jahre wir gemeinsam gearbeitet hatten …
»Und die Erfolge blieben nicht aus. Bald wurde die Bedeutung dieser Ausgrabungen für die Galaktische Zivilisation deutlich.
Ich möchte als Beispiel – ehe ich zum Kern Ihrer Forschungsarbeit komme – nur die Entdeckung des Kollegen Garrett anführen, die ein vielleicht entscheidendes Licht auf die Herkunft unserer gesellschaftlichen Verhältnisse wirft.«
Sie hatte wohl mein Stirnrunzeln bemerkt, denn sie klopfte sofort beschwichtigend mit dem Greifschwanz.
»Ich weiß, verehrter Herr Kollege, Sie haben Vorbehalte gegen die Schlussfolgerungen des Kollegen Garrett. Es ist aber die zurzeit beste verfügbare Theorie.
Die meisten Artefakte auf diesem Planeten war nach so langer Zeit verrottet oder vom Impakt zerstört. Aber es fanden sich Gegenstände aus einem Material aus gebranntem Silizium und Aluminiumoxyden, wie für die Ewigkeit geschaffen. Tausende wurden im Laufe der Jahre gefunden, stets mit kuppelförmiger Grundform, jedoch diskreten Abweichungen und unterschiedlichen Farben, wobei Weiß in eindeutiger Überzahl dominiert.
Die allermeisten fanden sich in dichten Ansammlungen auf relativ abgegrenzten Arealen – und diese Tatsache und das wie für die Ewigkeit gemachte Material, legt tatsächlich den Schluss nahe, dass es sich um Urnenbestattungen handelt, deren ursprünglicher Inhalt natürlich längst verrottet ist. Bei einigen waren auch noch versteinerte Abdrücke der Bodenplatten, umgeben von einer ringförmigen Struktur, erhalten geblieben. Die oberen Öffnungen hatten zuweilen auch Spuren von Metallen und Plasten bewahrt. Möglicherweise waren also auf den Kuppeln technische Anschlüsse montiert. Dies haben einige Forscher als Hinweis auf einen Glauben an eine Kommunikation mit den Hingeschiedenen gedeutet.
Kollege Garrett hat zweihundert morphologische Abwandlungen unter neun Hauptgruppen klassifiziert, unter Beachtung der Farbvarietäten. Er ist ja auch Biologe und behandelte die Artefakte wie Tiere und untersuchten sie nach Einzel- und Gruppenmerkmalen.
Er entwickelte die Theorie, dass die Urnengräber durch Form und Farbe die gesellschaftliche Stellung und Funktion der Bestatteten widerspiegelten. Daher gibt es ganz viele weiße Exemplare und nur wenige schwarze. Es bestand wohl schon vor drei Millionen Jahren eine Stände-Gesellschaft, was die Stabilität und Richtigkeit unserer galaktischen Gesellschaftsordnung eindrucksvoll bestätigt.«
Ja, dachte ich. Was das Galaktische Triogenat bewog, weitere Gelder in das Forschungsprojekt zu pumpen.

»Und überraschenderweise finden sich auch unter den Knochenfunden, so fragmentarisch sie auch sind, schon die Varietäten der heutigen Menschlichkeit. Ich will hier keine Vorurteile nähren, aber es ist klar, dass hier Menschen mit voll ausgebildeten Greifschwänzen eine höhere Gesellschaftsschicht bildeten als solche mit verkümmerten. Wie anders wäre es zu erklären, dass sich entsprechende Knochenfunde von Greifschwanz-Menschen in dünn besiedelten Parks oder Wäldern fanden, während die anderen Varietäten sich offenbar knappen Raum teilen mussten?«
Ich runzelte abermals die Stirn, was die Vertreterin der Galaktischen Kommission für Kulturtechniken durchaus bemerkte. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Sie war ja nicht dumm und wusste sehr wohl, dass Garretts Theorie daran krankte, dass die Verteilung der kuppelförmigen Porzellangegenstände nicht recht zur Verteilung der Menschenarten mit und ohne Greifschwanz passte. Aber das würde sie – darauf angesprochen – mit der schlechten Fundlage erklären, wie so viele andere, die Garretts Akzeptanz beförderten. Idioten!
»Und damit komme ich zum dritten Schmiedeschlag an der Kette unserer galaktischen Kultur. Und der, lieber Herr Kollege, ist Ihre bahnbrechende Entzifferung der prähistorischen Aufzeichnungen dieses Planeten. Ein Fragment, nur so groß wie ein persönlicher Video-Begleiter, wurde für Sie die Krönung Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn.
In einem Hohlraum unter einer Lavakruste, die ein Trümmerfeld nördlich eines großen Gebirges bedeckt und damit konserviert hatte, fanden Sie es vor zwanzig Jahren. Eine bräunliche Kruste, wie sie ähnlich in kleineren Stücken an den Ufern der Meere von Lacusorientem im fünften Spiralarm vorkommen und oft prähistorische Lebewesen einschließen. Eingelagert darin ein Metall, das die Endstufe des Zerfallsprozesses von Uran darstellt. Die Kruste bestand aus Kohlenhydraten und Proteinen, die wahrscheinlich einmal in einer Flüssigkeit gelöst und nach Jahrmillionen steinhart geworden waren. Das Metall bestand aus winzigen Stücken, die linear und vertikal regulär auf einer Grundplatte angeordnet waren. Es war wohl deshalb so gut erhalten, weil mit der Kruste eine chemische Reaktion stattgefunden hatte. Diese enthielt CH3CH2OH-Moleküle, eine äußerst toxische Verbindung, die aber in diesem Fall dafür sorgte, dass im flüssigen Aggregatzustand ein Konservierungsprozess ablief. Das Muster, das sie bildeten, erinnerte an Muster auf Keramiken primitiver Kulturen, wie wir sie von einigen Welten kennen.«

Langsam schlief mein Greifschwanz ebenso ein wie die Studenten im Publikum, von denen viele meine Vorlesungen zu diesem Thema besucht hatten, und ich wechselte die Sitzposition. Die Gesandte ließ keine Ermüdungserscheinungen erkennen.
»Sie, verehrter Kollege, glaubten, ich muss sagen, witterten aber, dass die Muster eine symbolische Bedeutung analog einer Schrift haben könnten. Man lachte Sie aus! Eine Schrift mit nur etwa 40 verschiedenen Symbolen! Wie primitiv wären denn die Erzeuger gewesen! Nein, die meisten Fachleute nahmen an, es handele sich eben um unbeholfene Verzierungen. Kein Vergleich mit den tausenden komplexen Mustern, die wir zum Ausdrücken von Gedanken verwenden, und die auch noch nach Betonungszeichen in ihrer Bedeutung variieren können! Wenn dies eine Art Schrift war, bitteschön, war die herrschende Meinung, dann kann es doch nur eine sehr frühe Vorstufe zu einer wirklich Intelligenz ausdrückenden Schriftsymbolik gewesen sein.
Aber Sie ließen sich nicht beirren.
Durch Korrespondenz mit Ihrer weitverzweigten wissenschaftlichen Gemeinde, die selbst schon wieder eine Legende in den sozialen Medien geworden ist, stießen Sie auf eines der raren Dokumente, die die Große Dunkelheit vor zwei Millionen Jahren überdauert hatten. Sie konnten darin eine Frühform unserer Schrift identifizieren und auch Symbole, wie sie in der Versteinerung auftauchten. Aus unbekannten Gründen waren sie allerdings spiegelbildlich angeordnet.
Damit war das Tor auf die andere Seite unserer Kulturgeschichte aufgestoßen, wenn ich so sagen darf.
Ich projiziere für das Auditorium einen Ausschnitt aus dem berühmten Fragment, das Sie als erstes fanden, hier in der gespiegelten Ausrichtung:«

»Gentlemen, das, was Sie seit einigen Minuten auf

den Schirmen Ihres Bunkers sehen, ist identisch mit

einer nur dreistufigen Rakete, deren Einzelzellen

allerdings wesentliche Neuerungen enthalten. Der

Start erfolgt in etwa drei Stunden, die letzten

Vorbereitungen laufen. Die vier Risikopiloten liegen

zur Zeit noch im nervenschonenden Tiefschlaf. Sie

werden erst zwei Stunden vor dem Start geweckt.«

Noch blieben die Journalisten gleichmütig.

Bemannte Raumflüge waren längst keine Seltenheit

mehr. Pounders Augen verengten sich etwas. Er

genoß seinen Trumpf, den er überraschend ausspielte.

»Das Raumforschungskommando hat unter

Berücksichtigung gemachter Erfahrungen darauf

verzichtet, das Raumschiff auf der Satellitenbahn

zusammenzubauen. Die Schwierigkeiten und

Fehlschläge früherer Versuche sind bekannt. So wird

die erste Mondlande-Rakete direkt von hier aus

starten. Das Schiff heißt STARDUST. Kommandant

der ersten Mondlande-Expedition ist Major Perry

Rhodan, Risikopilot der Space-Force, 35 Jahre alt,

Astronaut und Kernphysiker, Nebengebiet atomare

Strahltriebwerke. Perry Rhodan dürfte hinreichend

bekannt sein. Er ist der Mann, der als erster Pilot der

Space-Force den Mond umkreiste.«

Moewig

Sie räusperte sich. Wie viel Blätter gab es noch? Ich hatte nicht mehr auf ihre Hände geachtet.
»Ich will hier nicht auf die sich über ein Jahrzehnt hinziehende Ergänzung und Entzifferung eingehen. Das wäre eine Geschichte für sich, für ein eigenes wissenschaftliches Leben. Sie beschafften Gelder, motivierten Forschende und Studierende, von denen so viele hier mit uns zusammensitzen, und konstruierten und fütterten zusammen mit ihnen ein ungeheures Neuronales Netz, das nach und nach die Schleier von den Symbolen und den damit ausgedrückten Gedanken hob.
Noch sind auch nach Jahrzehnten nicht alle Begriffe enträtselt, die das Fragment enthält.
Aber so viel scheint gesichert: Es handelt sich um die Dokumentation der Raumfahrtgeschichte dieses Planeten, unseres Ursprungsplaneten, mit der frühesten Etappe, nämlich dem Flug zum Mond. Ein mutiger Menschenaffe mit Namen ›Major Perry Rhodan‹ – ein altehrwürdiger dreiteiliger Name! – unternahm in dem Raumschiff ›STARDUST‹ die erste Reise zum nächsten Himmelskörper dieses Planeten. Und damit den ersten, aber großen Schritt zur Ausbreitung der Menschlichkeit im Universum!
Oder wie es in dem unvergesslichen Drama heißt: ›… und als die ersten Menschen ins Auf-und-Hinaus fuhren und den Mond erreichten, was fanden sie dort?‹ ›Nichts‹, erwiderte der stille Chor der Lippen. ›Deshalb fuhren sie weiter, zum Mars und zur Venus. Die Schiffe fuhren Jahr für Jahr hinaus, aber sie kehrten erst im Jahre Eins des Weltraums zurück.‹
Und noch ein Detail: Ganz unten auf der Platte ist ganz klein das Wort ›ewig‹ zu entziffern! Was für ein Mut spricht daraus! Was für ein Zukunftsglaube!«
Sie hatte sich in Begeisterung geredet und holte noch einmal Luft.
»Man glaubt heute, dass es Schmucktafeln waren, die man sich in der Wohnung anbrachte zur Erbauung, ein unvergleichlicher Luxus im Vergleich zu binären Dokumenten, den sich wohl nur die Oberschicht leisten konnte.
Es wurden in all den Jahren weitere Tafeln gefunden, manche aus Metall, viele aus Stein. Sie sind wie Lichtkegel in das Dunkel der Geschichte. Und das Licht, das haben Sie entzündet, verehrter Kollege!«
Oh ja, das hatte ich. Jeder wusste darum. Das Auditorium wurde allmählich etwas unruhig.
»Noch sind nicht alle Rätsel der Vergangenheit gelöst, aber wir sind uns sicher – und das ist unbestreitbar Ihr Verdienst, verehrter Kollege –, dass die Besiedlung der Galaxis durch die Menschlichkeit vor drei Millionen Jahren hier ihren Ursprung nahm.
Und dies ist das unvergängliche Ergebnis Ihrer Arbeit, das auch das galaktische Triogenat bewog, die Ausgrabungsarbeiten auf diesem Planeten sechzig Jahre lang und, wie es aussieht, darüber hinaus zu fördern: Die Erkenntnis, dass alle Formen der Menschlichkeit, seien ihre Greifschwänze ausgebildet oder nicht, seien sie behaart oder nicht, hier ihren Ursprung haben und somit zusammengehörig sind.«
Sie erhob sich und winkte dem Saaldiener.
»Und damit darf ich Ihnen die Besitzurkunde, ausgestellt vom Triogenat höchstselbst, für ein lebenslanges Wohnrecht auf Castraveteris überreichen, verbunden mit den besten Wünschen für einen erfüllten Lebensabend.«

Oh ja! Das war das lange Sitzen wert gewesen. Beifall brandete auf und ich erhob mich, mit etwas steifen Knochen, drehte mich halb zur Festrednerin und verneigte mich.
»Ich danke Ihnen, verehrte Frau Abgesandte für Ihre lieben Worte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe langjährige Wegbegleiter und Freunde, ich danke Ihnen und euch allen für euer Kommen. Genießt mit mir, so bitte ich, den Abend beim kalten Büffet und guten Gesprächen, und erinnert euch eine Zeit lang an mich und unsere gemeinsame Arbeit.«
Der Applaus weckte die jungen Leute auf. Eifrig klatschten sie in die Hände.

*

Am nächsten Morgen stand ich zeitig auf, frühstückte und nahm meine Reisetasche. Ein Lufttaxi brachte mich zum in den letzten Jahren stetig ausgebauten Port. Ich erledigte die Formalitäten und ging die wenigen Meter zur Raumfähre, die mich und die anderen Passagiere in den Orbit zum wartenden Schiff bringen würde. Die Transportbahn hob mich sanft zum Einstieg.
Ich drehte mich noch einmal um und schaute auf die Welt, auf der ich sechzig Jahre meines Lebens verbracht hatte. Sechzig Jahre voller Arbeit, mit Durststrecken und Rückschlägen, aber auch mit Erfolgen und Momenten menschlicher Wärme. Ein letztes Mal atmete ich die klare, kühle Luft und lauschte den mittlerweile so vertrauten Geräuschen dieses Planeten, die der Wind herantrug. Mich fröstelte, und ich zog den Mantel enger um mich. Und auf einmal glaubte ich, wie damals in meiner Jugend, nach meiner Ankunft, den fernen Klang eines Horns zu hören, der mich damals fasziniert und verstört hatte, und den anscheinend kein anderer wahrnahm; der anhob, wie ein Ruf in unbekannte Gefilde, für einige Sekunden anhielt und schließlich schluchzend verklang.
Dann gab ich mir einen Ruck und betrat die Schleuse für die wohl letzte Reise meines Lebens: zum Planeten Castraveteris, dem Garten-Paradies der Rentner. Ein bisschen freute ich mich schon. Ich hoffte nur, dass die Grundstücksnachbarn keine Nervensägen waren. Sicherheitshalber hatte ich mir schon vor Wochen den führenden Kommentar zum Nachbarschaftsrecht besorgt und darin geblättert. Bei einem Paragraphen stutzte ich und musste grinsen:

§ 24 Hammerschlags-, Leiter- und Schaufelschlagrecht
(1) Der Eigentümer hat zu dulden, dass der Nachbar zur Errichtung, Veränderung, Reinigung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage auf seinem Grundstück das Grundstück des Eigentümers vorübergehend betritt, darauf oder darüber Leitern oder Gerüste aufstellt sowie die zu den Bauarbeiten erforderlichen Gegenstände über das Grundstück des Eigentümers transportiert.
(2) Der Eigentümer hat zu dulden, dass der Nachbar für die Dauer der nach Absatz 1 durchzuführenden Arbeiten Sand, Schlamm oder anderen Erdaushub auf dem Grundstück des Eigentümers lagert.

Das Rentnerleben konnte vielleicht doch ganz lustig werden.

ENDE

 

 

 

(Mit Dank an Poul Anderson, Robert MacArthur und Edward Wilson, Randall Garrett, Christoph Ransmayr, Cordwainer Smith und Alexandra Trinley)

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