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»Der Maske Weg« von Thomas Kass

60 Jahre PERRY RHODAN Tribut und Tribut an 60 Jahre Achim Mehnert

 

Alesia stand fassungslos vor der Projektion der Urnenabgabe in den leeren Raum des Weltalls. Künstlich sichtbar gemacht schoben Antigravstrahlen in Rot und Weiß die Kapsel weiter in die vermutliche Richtung der Milchstraße.

Sollte jemals Licht darauf fallen, würde sie golden schimmern wie frisch gezapftes Kölner Bier und die Silhouette eines Geißbocks zeigen.

Neben Alesia stand Closia und hielt sie im Arm. In sechs Tagen hätte ihr Bruder das siebenundfünfzigste Jahr seines Lebens vollendet.

Langsam zog die Urne durch die Dunkelheit, die Führungsstrahlen verblassten.

Beide Frauen strichen sich die Tränen aus den Augenwinkeln und von den Wangen.

»Es muss ein Ende haben«, beschied Closia. »Alaska darf so nicht weitermachen!«

»Ich weiß nicht, er fand bisher immer einen Weg, der uns …«

»… nicht nach Hause führte, etliche Leben kostete und jetzt auch das deines Bruders, ja. Du hast schon Mutter und Vater verloren. Und niemanden konntest du zu Hause bestatten. Du konntest sie nur hier betrauern, auf der SOL.«

Closia gab sich einen Ruck.

»Du hast ja recht, eigentlich. Aber ich vertraue Alaska. Ich werde …«

Der Boden erschütterte, beide Frauen taumelten kurz.

»Und es geht los. Der nächste Angriff und die nächsten sinnlosen Opfer.« Closia schloss die Augen und dachte an Clausjo.

*

Drei Jahre später wurde die Situation in Balayndagar wurde immer prekärer. Nicht nur, dass die sogenannte Große Schwarze Null die Kleingalaxie in Sternenstaub zu verwandeln drohte, auch sein Cappin-Fragment reagierte heftig auf die Umgebung. Blitze zuckten nicht nur häufiger als eigentlich normal aus den Schlitzen vor den Augen, sondern mittlerweile auch aus dem freigelassenen Mundbereich. Seitlich des Kopfes haftete seine Maske gut an der verbliebenen Haut.

Alaska Saedelaere musste noch vorsichtiger sein, um einem Lebewesen nicht direkt in das Gesicht zu sehen.

Ein Problem, das Alaska normalerweise recht gut im Griff hatte, scheute er nach seinem Transmitterunfall grundsätzlich die Nähe anderer Wesen, mit Ausnahme von Kytoma, jenem sphärischen Wesen, das ihm so nah und so weit schien. Und neuerdings zu Irmina, einer Frau aus dem Mutantenkorps, die er vor 136 Jahren mit gemischten Gefühlen kennengelernt hatte. Die sogenannte Meta-Gruppiererin könnte ihm auch mit seinem Fragment helfen.

Er hatte zurzeit das Amt des Kommandanten der SOL inne; Perry Rhodan hatte das Schiff verlassen, um einen sogenannten Kelosker zu suchen, der den Weg zur Milchstraße finden könnte. 60 Lichtjahre – gar nicht so weit entfernt in der heutigen Zeit. Aber es ist eben ein Umkreis, keine lineare Entfernung. Es könnte also dauern.

 

Alaska musste bei seiner Aufgabe Besatzungsmitgliedern auch das Gesicht zuwenden, mit Maske selbstverständlich, denn sonst wäre jedes Lebewesen durch den Anblick des Cappinfragments in den Wahnsinn getrieben worden. Kein Wissenschaftler fand bislang eine bessere Abhilfe als die Maske, die er vor sein Gesicht geschnallt hatte.

Einige seiner Weggefährten machten sich ab und an Späße mit Empfehlungen; allen voran natürlich Gucky. Tatsächlich hatte er einmal vorgeschlagen, eine weiße Maske mit geröteten Wangen und stark geschminkten Lippen aufzusetzen, um Fledermäuse abzuschrecken.

Der Boden erschütterte. Alaska taumelte kurz.

Und es geht wieder los, dachte der Maskenträger.

*

Mit ihren klobigen Füßen stapften zwei Roboter über den Gang zur Zentrale der SOL. Sie verursachten dabei keinen Laut und keine Vibrationen, denn ein Prallfeld unter ihren Füßen verhinderte dies. Die befehlsgebende Positronik übertrug neue Daten: Zentrale nicht mehr ansteuern, Außendeck 1411 umgehend erreichen, Störungen sichern.

*

Alesia und Closia saßen in einem Biergarten, eingebettet in eine virtuelle Landschaft aus zwei Flüssen, die sich in einer regenbogenfarbenen Schleife vereinten. Dort, wo normalerweise die Rundung der Bordwand zu sehen wäre, zeigten sich steile Hügel mit Weinreben.

»Hier hätte sich Clausjo wohlgefühlt, heute, an seinem 60. Geburtstag. Zusammen mit seinen Freunden und Mitarbeitern.« Alesia versuchte etwas Smalltalk, aber Closia erwiderte: »Was denn? Trunkenbolde? Sogenannte Chefs«, sie spie das Wort förmlich aus, »die ihn zu allen möglichen Terminen gedrängt haben? Leute, die ihn als linksversifften Sack tituliert haben?! Und außerdem …«

»Das mag alles passiert sein, Clo. Aber bitte, ich möchte nicht mit irgendwelchen positiven Einflüssen und Menschen argumentieren, die Clausjo nahe waren. Oder gar mit Sachen, die er dir vorgespielt hat. Aber du warst immer ein großer Halt. Du und deine Tochter sind wichtig gewesen für Clausjo. Er hat Naczja mit Czommy, seinem besten Freund, babygesittet. Und Naczja hat aus dem Kinderwagen immer wieder Ball gesagt, als die beiden nach einem bisschen Gekicke anschließend in einem Lokal zwei Bierchen genommen und die beiden sich herzerweichend um sie gekümmert haben. Du, als er immer auf Haus und Hund aufgepasst hat, auf Terra, und vor allem du, als er mit dir auf der Erde am Gardasee sein durfte. Seine Fotos vom See und von den Bergen sind legendär. Auf der BRESCIA wurde sogar ein kleiner Freizeitbereich eingerichtet. Auf einem Leichten Kreuzer!«

»Ich …«

Der Eingang zum Biergarten öffnete sich und zwei anachronistisch aussehende Roboter schwebten laut- und erschütterungslos herein. Auf ihren Brustkörben prangen übertrieben groß die Buchstaben MEL I beziehungsweise MEL II.

Der Boden erschütterte. Es ging los.

*

Beide Roboter sprachen unisono mit wohlmodulierter Stimme. »Und ihr seid nötig und vor allem würdig, der Stimme zu helfen. Der aktuelle Kommandant dieses Raumschiffes hat aufgrund seines aktuellen Stigmas ein Problem.«

Closia sah einen Mann von seinem Tisch aufstehen, erkannte ihn: »Ach, was ein Zufall!«

Joscan Hellmut fragte nach: »Ohne auf die eigentlichen Besonderheiten einzugehen bezüglich einer, hm, Stimme: Warum hebt ihr unseren Lebensraum, das, hm, Raumschiff, die SOL hervor?«

»Das ist es, was euch interessiert? Ihr seid berufen und wir sichern euch. Berufen und gesichert, um dieses Raumschiff zu leiten. Der Besatzung den Weg zu weisen! FüR ImeEr!«

Die beiden letzten Worte der Roboter klangen abgehackt und ungewohnt.

*

»Das wüsste ich aber.« SENECA meldete, dass es keine Erschütterungen von Wänden und Böden gab. Die SOL befand sich im Leerraum von Balayndagar, keine Sterne oder Irrläufer im Bereich der Ortung.

Alaska fragte nach: »Gibt es Kräfte mit psionischem Ursprung? Unregelmäßigkeiten in der Kantine? In den Nasszellen? Medoabteilungen?«

»Nein, nein, nein, eventuell.«

»Medobereich sichern, sofort! Was bedeutet eventuell, SENECA?«

»Es wurde ein weiterer Toter, der durch den Blick auf deine Maske verstorben ist, vor drei Jahren auf der Beerdigungsplattform beigesetzt. Seine Schwester und seine ehemalige Lebensgefährtin waren dort. Sie verspürten wie du eine Anomalität an diesem Tag – der Boden des Decks soll erschüttert worden sein. Heute jährt sich dieser Tag.«

»Jaja, wo sind die beiden?«

»Zurzeit kann ich sie nicht lokalisieren, zuletzt waren sie in einem Biergarten. ›Zum Prinzen‹, Außendeck 1411.«

»Medopersonal und Roboter hinsenden. Ich komme sofort dahin. Sämtliche Außenortung verstärken. Verschluss!

SENECA, siehst du einen Zusammenhang zwischen dem Todesfall und den Erschütterungen?«

»Das wüss…«

Die komplette Antwort wollte Alaska Saedelaere nicht mehr hören. Er fühlte sich unwohl. Aktiv musste er eingreifen. Für das Leben auf einem ihm anvertrauten Raumschiff. Aber er hatte dieses Leben auch wortwörtlich auf seinem Gewissen. Er konnte mittlerweile niemanden ansehen, ohne dass dieser in Gefahr geriet zu sterben. Und jetzt musste er zu zwei Menschen, die wegen ihm ein Familienmitglied verloren hatten. Wie würden sie ihm begegnen? Dankbar für die Hilfe? Vielleicht. Vorhaltungen und derbe Beschimpfungen, weil er so ein Gesicht hatte? Bestimmt.

*

Der Biergarten bebte, Sitzbänke an leeren Tischen ruckelten herum, die wenigen Gäste standen auf, blickten endgültig auf die Szenerie. Manche griffen erfolglos an ihre Hosenseite in der Erwartung, eine Waffe zu finden, die in sozialen Bereichen eh nicht gestattet war. Ein paar Tische weiter brach ein kleiner Tumult aus, als sich drei Siganesen und ein Ertruser in die Quere kamen.

Aus dem Fenster zur Küche kam die Ansage, dass es noch reichlich Bockwurst gebe. »Und Ketchup!«, kam es aus einer Ecke, in der drei offensichtlich männliche Terraner mit reichlich Alkoholkonsum saßen. »Auf die Brücke!«, brüllten sie. Alesia kannte die drei. »Rabauken« nannte sie sie, Brlyner, Szeib, Noorb.

Sie sah, wie sich die 15 Zentimeter große Siganesen mit ihren Antigravgürteln langsam zu Boden sinken ließen. Das Leben ist so vielfältig! Warum darf mein Bruder nicht mehr daran teilhaben?

*

»Das funktioniert so nicht!« Joscan Hellmut sprach die Roboter direkt an. »Warum unser Raumschiff? Wir leben hier seit Jahrhunderten, haben größtenteils die Ursprungswelt verlassen, wir haben Lebewesen an Bord, die gleichberechtigt heimisch sind, wir sind ein galaxienübergreifendes Biotop.

Dieses Raumschiff, wie ihr es betont, hat dunkle Jahre hinter sich und bestimmt auch vor sich.

Aber es ist aktuell unser Raumschiff!«

»AbEr wir hAben eine NAchriCht erhAlten. Über alte POstWege. Dieses RaumSChiff muss geRRRettet weRRden vor dem Tooood …«

Das Stottern der mittlerweile synchron sprechenden Roboter veränderte sich; die Aussagen jedoch wurden immer merkwürdiger.

Aus dem Antigravschacht, der in den Biergarten führte, funkelten Blitze. Der Röhre entschwebte Alaska Saedelaere. Sein Charisma beruhigte und verunsicherte zugleich.

Das Sternenbiest!, dachte Alesia, immer noch mit Closia an ihrem Tisch stehend.

Hoffentlich dreht Closia jetzt nicht durch!, hoffte sie.

*

»Wenn es das ist …«

Alaska wurde unterbrochen von einer Nachricht SENECAS.

»Ich habe das Problem erkannt. Die angeblichen Erschütterungen und dadurch resultierenden körperlichen Beschwerden wurden durch eine Störung im Raum-Zeit-Gefüge von Balayndagar verursacht. Perry Rhodan ist noch 60 Lichtjahre entfernt, hat aber Differenzen mit einer Person namens Dobrak. Weiterhin keine Gefahr für die SOL, denn das wüsste ich.«

Alaska seufzte und setzte erneut an:

»Wenn ihr etwas wollt, könntet ihr auch gerne darum bitten. Oder seid ihr Kinder? Oh, Verzeihung. Natürlich seid ihr Kinder. Kinder von egalwas. Von Posbis, von NATHAN? Egal.

Ich akzeptiere euch, aber nicht euer Verhalten.«

»Deine Maske muss weg! NieMAnd solllTE eine mASKE tragen. Wir tragen auch keine Maske!«

»Meine Maske schützt Leben! Ohne meine Maske würde jedes Lebewesen, das mich ansieht, sterben!«

Er blickte sich um. Die beiden Roboter machten keine Anstalten, sich zurückzuziehen.

Der Roboter mit der Kennung MEL I meldete sich erstmals zu Wort:

»Du kennst weißt zu wenig. Du musst die Maske ablegen.«

»ROMEO, JULIA, ist gut jetzt!«

Die Stimme von SENECA war laut und deutlich zu hören.

Der Roboter mit der Kennzeichnung MEL I gab noch für alle hörbar zur Kenntnis:

»Wehret den Anfängen, der Gegner ist bereits da. Kirmizz wird kommen!«

*

Alaska Saedelaere schaute in die Runde und plötzlich wurde es ihm schwummerig. Setzen, ich muss mich setzen.

In seinen Gedanken erschien eine kobaltblaue Walze, ein Name … Eroin Blitzer.

*

Closia und Alesia standen fassungslos vor den Panoramaprojektionen in der Zentrale der SOL.

»Diese Weite, diese vielen, vielen blinkenden Lichter. Das wäre etwas für unseren Clausjo!«

»Ja! Und dort ist er!«

Beide winkten in die Ferne.

 

ENDE

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