Ehrlich: Heute habe ich erst begriffen, dass Perry Rhodan und ich gleich alt sind. Und diese Gleichaltrigkeit ist schon eigenartig, denn als ich ungefähr sechs war und er mir das erste Mal ins Bewusstsein kam, war er einer von den Erwachsenen und für mich als Kind uninteressant.
Die PERRY RHODAN-Romane standen bei uns im Wohnzimmer-Regal, es wurden immer mehr, meine Mutter verschlang sie und irgendwann auch meine Schwester. Ich fand die Titelbilder immer faszinierend, ein wenig gruselig, aber faszinierend. Trotzdem hat es mich nie zu PERRY RHODAN hingezogen, ich hielt es mit Raumschiff Orion, eine der ersten Fernsehserien, an die ich mich erinnere. Lange dachte ich, eigentlich wie bei Orion, das wäre keine deutsche Produktion, liegt natürlich auch am Namen, ist ja bei Jerry Cotton auch nicht anders. Aber egal aus welchem Land – meine Eltern waren sowieso eher Weltbürger – die Liebe, Faszination und Leidenschaft für Science-Fiction und Fantasy wurde bei mir in den Sechzigern gepflanzt und spross unermüdlich weiter.
Irgendwann habe ich dann doch einmal ein Heft oder Buch gelesen aus der PERRY RHODAN-Reihe. Gucky, der Mausbiber, stellte sich mir in dieser Geschichte vor. Den fand ich nun völlig abstrus. Ich weiß nicht mehr weshalb, aber ich war damals wohl so um die zehn Jahre alt und absolut überzeugt von den Schmökern von Burroughs über Tarzan. Lange Zeit war dieser RHODAN-Band der einzige, den ich gelesen hatte. Ich fand einfach keinen Zugang in diese Welt, in der meine Mutter eigentlich komplett versunken war. Sie hatte immer ein Buch auf dem Küchentisch, das rechts mit dem Aschenbecher und links mit der Packung Zigaretten plus Feuerzeug festgehalten wurde, und beim eifrigen Werkeln im Haushalt kam sie dort immer vorbei, nahm einen Zug aus dem Glimmstängel und einen Hauch Fiction mit.
Dann landete ein Buch bei mir, das ich eindeutig als zum PERRY RHODAN-Universum (der Begriff Perryversum existierte damals noch nicht oder war mir unbekannt) zugehörig erkannte, aber es war nicht so ganz damit verquickt und ich konnte diesen Umstand einfach ausblenden. Einfache Story, es ging um einen fremden Planeten und seine Bewohner und Fremdenhass. Gute Logik, gute Entwicklung, die Protagonisten etwas zu abwartend. Aber sehr gut lesbar. Und wieder war es das für lange Zeit zwischen mir und PERRY.
Als Autorin und Schreibwerkstattleiterin führte mein Weg mich vor über zehn Jahren nach Wolfenbüttel in die Bundesakademie. Dort lernte ich als Seminarleiter Uwe Anton und Klaus N. Frick kennen, die beide ja mehr als eng in das Perryversum eingebunden sind. Und weil sie gewisse Koryphäen auf dem Gebiet sind, brach natürlich der harte Kern der PERRYbegeisterten mit jedem Seminar, das einer oder beide leiteten, auf mich herein. Die sozialen Medien brachten es mit sich, dass man sich, wenn auch locker, vernetzte. Mittlerweile gibt es Verbindungen, die ich nicht mehr missen will, auch wenn ich häufig gar nicht verstehe, was die Menschen aus diesem Bereich meines Lebensuniversums manchmal erzählen. Aber es hört sich immer interessant an.
Bei den Seminaren mit Klaus oder Uwe spielt PERRY RHODAN zwangsläufig eine Rolle. Vieles wird als Beispiel herangezogen. Aber immer im Rahmen und immer so, dass es auch Nichteingeweihte, zu denen ich mich auch zähle, verstehen. So hat PERRY auch immer zu meiner schreiberischen Entwicklung beigetragen.
Sechzig Jahre, die wir nun alt sind, der Perry und ich. Die meiste Zeit davon hat er mich irgendwie begleitet, sei es nun als ich den Bemühungen meiner Mutter widerstand, ihn mir als Lektüre anzudienen, oder den Versuch meines Vaters vereitelte, als die übervollen PR-Regale geräumt wurden, mir die Bände anzudrehen (rückblickend weiß ich heute, dass das einer meiner größten Fehler war), oder wenn ich auf meine Regale blicke und überlege, ob ich nicht doch noch irgendwo einen PERRY RHODAN-Band habe, den ich dann doch mal lesen könnte …
Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich alle PERRY RHODAN-Bücher lesen werde, wenn ich mal in Rente bin und Zeit dazu habe. Dafür läuft dieser neue Lebensabschnitt zu schnell auf mich zu. Außerdem ist Perry dann mit Sicherheit noch nicht in Rente, und das wird mir dann zu hektisch, ihm bei der Arbeit zuzusehen.
Aber wer weiß, was das Leben noch bringt. Vielleicht backe ich Perry einen Geburtstagskuchen und er kommt auf einen Kaffee vorbei. Dann kann er mir auch noch gratulieren. Und vielleicht kann ich dann auch ein Schwätzchen mit Gucky halten und werde noch richtig warm mit ihm.
Köln, September 2021 © Anne Haase