»Was sich ES da alles ausgedacht hatte, spottete jeder Beschreibung«, aus: »Notruf des Unsterblichen« (PR 517) von Clark Darlton
Anmerkung der Redaktion: Ihr findet hier die ersten 20% des Gesamttextes. Die vollständige Arbeit von MA Schwarm wird im gedruckten Tributbuch und im anschließend herauskommenden eBook veröffentlicht werden. Wir haben uns dazu entschlossen, weil sein schöner Text sehr lang geworden ist – und um den Verkauf der gedruckten Bücher zu fördern.
TEIL 1: Die Humanita-Seuche
Auf dem Rückflug von Kamash im Paternal-System, 31. Oktober 3456
Er hatte es so gewollt – mal wieder. Ja, sie gab sich nicht nur Mühe, es bereitete ihr Freude, immer wieder. Schon wenn sie ihren Körper präparierte, anschließend das hautenge Latex-Kostüm überstreifte und dann das dunkle Zimmer betrat, in dem ihr Kollege berstend vor Erwartung verharrte.
»Da bist du ja, Irmchen.« Er röhrte wie ein Hirsch in der Brunft. »Bitte sei streng zu mir, sei das Sahnehäubchen an diesem glorreichen Tag.«
»Schweig, du fettes Schwein.« So viel Geschwätz ließ sie selten zu. Besonders dieser Schwätzer hier war ihr zuwider. Sie streckte sich, drückte den Rücken durch und stiefelte in Ihren Highheels um ihn herum. Schritt für Schritt, gravitätisch. Diese Art zu gehen erforderte die vollkommene Kontrolle über jeden Muskel ihres makellosen Körpers und betonte ohne weitere Manipulation ihrerseits die wohlgeformten Pobacken.
Ein kaltes Licht strahlte auf den devot in der Raummitte stehenden männlichen Körper, der nichts trug als seine klobigen, rosafarbenen Springerstiefel. Von seiner Männlichkeit, verdeckt durch den schwabbeligen Hängebauch, war allerdings nichts zu sehen.
Sie umrundete den stramm Stehenden. Er sah so lächerlich aus in seiner Pose, nackt und verletzlich. Dazu dann noch diese rosa Boots. Einfach widerlich!
Dicht vor ihm verharrte sie. Gerade so weit auf Distanz, dass ihr Körper nicht mit seiner weißen Haut in Berührung kam. Aber nah genug, dass sie seine unter wulstigen Augenlidern versteckten, roten Schweinsäuglein fixieren konnte. Auf seinem kahlen Schädel perlten bereits die ersten Schweißtropfen.
Jetzt. Zwei Schritte rückwärts, im Stechschritt. Mit ihrer Rechten holte sie weit aus, und die neunschwänzige Katze entrollte sich, schwang weit durch den Raum und klatschte prasselnd auf das Fett. Sofort zeichneten sich blutrote Striemen auf der weißen Haut. Schlag um Schlag wurden diese breiter und blühten auf.
»Fester, ich war doch so böse.« Er stöhnte.
Seine Aussage war doch nur reine Pose. Keine Frage, er hatte nichts Ungutes getan.
Sie waren dem Befehl Solarmarschall Galbraith Deightons gefolgt: den grünhaarigen Öko-Terroristen zu jagen. Auf Kamash hatten sie ihn dann wider Erwarten gestellt. Patulli Lokoshan hatte das schonungslose Aufeinandertreffen nicht überleben können.
»Fester, Irmchen, fester.«
Sie schlug zu, immer und immer wieder. So kam mit dem Verlust ihrer Beherrschung jedes Mal Ekel und Selbsthass wieder hoch, drohte ihr wieder außer Kontrolle zu geraten. »Mein Name ist Irmina, nicht Irmchen!«, schrie sieh weiter auf den zitternden und bebenden Körper einschlagend. »Irmina Kotschistowa, Sie elendes Schwein!«
Er stöhnte, nicht nur lustvoll, und stampfte auf sie zu. »Irmchen.« Sein Flüstern erhielt eine gefährliche Note, dazu geriet in seine roten Augen ein bösartiges Glitzern. »Irmchen.«
Als er den Arm nach ihr ausstreckte, seine wurstigen Finger nach ihrer entblößten Brust langten, griff sie mit ihrer Paragabe ein. Seine Hand sank wieder schlaff hinab. »Wenn ich es nicht will, bekommen Sie nicht einmal den kleinen Finger hoch!«
Ihr kaltes Lächeln paarte sich mit Verwunderung. Er wehrte sich nicht, obwohl Dalaimoc Rorvic doch der viel mächtigere Mutant gewesen war! Aber eben nur bis zu dem Moment, als sich sein Psychopartner Tatcher a Hainu von ihm trennte.
Dieser einsame Rorvic war ihr, wie so manches andere Neue, nicht so vertraut und irritierte sie immer wieder.
Just in diesem Augenblick sprach das Interkom-System ihrer Space-Jet an. Es musste eine Nachricht von höchster Priorität sein, sonst hätten sich die Monitore nicht eigenständig aktiviert. »In der größten Krisenzeit des Solaren Imperiums, jetzt wo die Humanita-Seuche jeden Terraner zum Tragen einer Maske zwingt, hat unser Geliebter Großadministrator Perry Rhodan auf D-Muner, dem zweiten Planeten der Sonne Verko-Voy, bei einem Unfall sein Leben verloren.« – Ende der Botschaft!«
Einen Moment der Bestürzung lang verharrten die beiden Mutanten. »Das war es dann wohl!«, unkte Dalaimoc Rorvic.
Irmina Kotschistowa streckte den Grußarm. »Lang lebe das Imperium, lang lebe … Scheiße auch!«
In einer fließenden Bewegung veränderte sich Rorvic in einen auch über zwei Meter großen, athletischen Mann asiatischer Abstammung. Er streifte die Boots ab, warf sich seinen schwarzen Ju-Jutsu-Anzug über, band den pinkfarbenen Gürtel zusammen und ging federnden Schrittes in die Zentrale, wo er sich ans Kommunikationspult setzte.
Die Metabio-Gruppiererin sah diesem Vorgang mit interessiert glänzenden Augen zu. »Order von Solarmarschall Galbraith Deighton: Krisenfall bedingt sofortige Rückkehr ins Solsystem.«
*
Solsystem, November 3456
In der ersten Novemberwoche erreichte die Space-Jet der Sol-Ab das Heimatsystem. Hier herrschte allgemeiner Ausnahmezustand. Solarmarschall Julian Tifflor hatte die Raumschiffe der Wachflotte rund um das der Führung beraubte Solsystem zusammengezogen. Geisterte die am 20. August 3456 während des Projekts ANTINUG aufgetauchte falsche MARCO POLO immer noch durch die Galaxis? Und wenn ja, wo war der Feind jetzt? Angeblich stammte ja der falsche Perry Rhodan aus einem Parallel-Universum. Es war ein Universum mit einem weichen Kern, eine in sich verkehrte Pervertiertheit. Und sie hatte bereits ihre Spuren hinterlassen.
Der Großadministrator war tot. Wie reagierten Freund und Feind in der Milchstraße? Wer würde versuchen, seine Macht auszudehnen? Von daher war der Kordon als erster Schritt der Abgrenzung zu verstehen, zum Schutz der imperialen Bürger gegenüber der Galaxis.
Als erstes bot der Carsualsche Bund in einer zu Tränen rührenden Videobotschaft aus dem Kreit-System seine Hilfe an. Die drei Zellaktivatorträger Nos Vigeland, Runeme Shilter und Terser Frascati zeigten ihr Mitgefühl, in dem sie ihre Unterstützung nach dem großen Verlust kundtaten und den Terranern Schutz vor allen Gegnern unter der Schirmherrschaft des Carsualschen Bunds anboten.
Spöttische Kommentare gingen als Antwort durch die Solaren Medien: »Die Terraner lachen sich in ihrer Trauer scheckig« und »Der Terraner bedankt sich für die Stütze des Zwerges«. Diese Provokation ließ die Riesen von Ertrus natürlich schäumen.
Die schnelle Reaktion von Solarmarschall Julian Tifflor eröffnete aber auch den internen Machtkampf um die Führungsposition des Solaren Imperiums. Auffallend war das öffentliche Schweigen des Stellvertreters. Die Pressestelle des Agitationsministeriums ließ lediglich verlautbaren, der Staatsmarschall habe sich zum Gedenken an den alten Freund zurückgezogen, um die Imperiale Bestattung vorzubereiten.
*
Imperium-Alpha, das Nervenzentrum des Solaren Imperiums, galt schon immer als bestbewachte Sicherheitszone von Terrania City. Um die anstehenden Überprüfungen ohne weitere Komplikationen überstehen zu können, war Dalaimoc Rorvic zu seiner vertrauten Gestalt zurückgekehrt. Den zwei Meter zehn großen, schwer adipösen Multi-Mutanten in der braunen Dienstuniform der Volks-Verfolgung mit den rosa Stiefeln, der gleichfarbigen breiten Bauchbinde und dem quer über den Hängebauch gespannten Schultergurt kannte hier unten schließlich jeder.
Galbraith Deighton, der Chef der Solaren Abwehr und der Volks-Verfolgung, stand vor seinem Schreibtisch und betrachtete in aller Ruhe die beiden in seinen Dienst getretenen Mutanten. »Sie haben den Öko-Terroristen zu Strecke gebracht. Schon erstaunlich, dass sich ein ehemaliger Mitarbeiter, wie es Patulli Lokoshan gewesen ist, vom Imperium lossagt. Sie beide haben der ganzen Welt gezeigt, wie das Imperium mit diesen Verrätern umgeht. Hier wird Loyalität großgeschrieben.«
Irmina Kotschistowa, auch wieder in der normalen Dienstuniform, trat eine halben Schritt vor. »Wir beide haben ihn gejagt. Ich habe das Wild erlegt.«
Deightons Blick auf Rorvic wirkte tadelnd.
»Waidmanns Dank. Ich weiß diesen Erfolg und im Speziellen Ihr Können, Agentin Kotschistowa, zu schätzen. Ihr Dienstpartner hat der Weiblichkeit also mal wieder den Vortritt gelassen.« Zufrieden registrierte er den aufkommenden Zorn der Mutantin. »Sie werden Ihre wissenschaftliche Expertise besonders in Ihrem nächsten Fall benötigen. Sie gehen nach Tahun.«
»Sir?« Irmina Kotschistowa wirkte einen Moment irritiert. »Das Tah-System ist über dreißigtausend Lichtjahre von hier entfernt. Ich denke, in der Krise sind wir hier vor Ort wichtiger für das Imperium.«
Galbraith Deightons Gesichtsausdruck verhärtete sich, seine Stimme bekam eine gefährliche Nuance.
»Falsch, meine Guteste, doppelt falsch. Bitte verstehen Sie mich richtig. Ich sage es nur einmal.« Er blickte der Mutantin fest in die Augen. »Ich bestimme hier ab sofort, was oder wer richtig und wichtig ist für das Solare Imperium. Sie werden Ihren Irrtum erkennen, nämlich dass es nicht Ihnen obliegt, eine solche Entscheidung zu treffen.«
»Verzeihung, Sir!« Die Agentin senkte vor der Kälte in seinem Blick die Augen und wich zwei Schritte zurück. Angst schwang in ihren gestammelten Worten. »Natürlich, Sir!«
»Und zweitens: Sie reisen ohne Ihr Gspusi!« Der Solarmarschall legte den Kopf leicht schief und lächelte die Mutantin arrogant an. »Auf Tahun findet in wenigen Tagen ein Symposium zur Humanita-Seuche statt. Wir können nicht länger zuschauen, wie sich das wahrscheinlich von der Parallelwelt-MARCO POLO eingeschleppte Virus weiter ausbreitet. Die Auswirkungen sind verheerend. Machen Sie sich sachkundig und finden Sie heraus, warum sich infizierte Menschen in greinende Weicheier verwandeln. Den einzigen bisher wirksamen Schutz bietet diese primitive, blaue Gesichtsmaske. Aber viele freie Terraner weigern sich, sie zu tragen. Sie sei unterranisch«, Deighton lachte böse. »Stimmt irgendwie ja auch. Aber nach einer gefährlich kurzen Inkubationszeit wird aus jedem oxtornharten Terraner eine weiche Banane mit selig-dusseligen Gefühlen, und das ist schlimmer als die Maske. Ach so, ja, der Effekt entsteht auch bei Frauen, denn auch Frauen können weinen.«
Der Gefühlsmechaniker spürte, wie die Metabio-Gruppiererin innerlich bebte. »Als Chef der Solaren Abwehr darf ich darüber hinaus nicht zulassen, dass sich diese Seuche derart virulent ausbreitet und dabei die Verteidigungsbereitschaft des Solaren Imperium schwächt. Von daher ist ihr Einsatz auf Tahun von immenser Wichtigkeit. Irmina Kotschistowa, finden Sie ein Mittel gegen das Humanita-Virus und retten Sie das Solare Imperium. Wir werden …«
In diesem Augenblick materialisierte der Mausbiber-Mutant Gucky. »Da läuft mir doch glatt die Galle über, Gal!«, schrillte der Ilt. Zugleich wurde der Körper des Solarmarschalls rückwärts über seinen Schreibtisch geschleudert. Mit einem dumpfen Knall schlug sein Kopf an die Wand, wo er zu Boden sackte und stöhnend, dann still in verkrümmter Haltung liegen blieb.
»Ruhe sanft, aber erst, wenn auch der Chef der Volks-Verfolgung begriffen hat, was es bedeutet, dass der Chef des Neuen Mutantenkorps zum Rapport befiehlt. Schön, dass Irmina erkannt hat, dass Deightons Genick gebrochen ist. Dann kann die Psi-Nurse es gleich mal heilen.«
Tatsächlich hatte Irmina Kotschistowa die gesundheitsgefährdende Situation sofort erfasst, als sie das knacksende Geräusch im Nacken des Solarmarschalls bei dessen Aufprall wahrnahm. Noch während Deighton zu Boden sackte, griffen ihre heilende Kräfte zu. Sie kurierte die Verletzung des Rückenmarks und verknüpfe die abgetrennten Nervenstränge wieder, so dass keine Spätfolgen mehr zu erwarten waren.
»Ist Gal wieder heile, ja?!«, drängte der Mausbiber und ergriff die Hand der Mutantin. »Dann hurtig zum Chef! Ach, Rorvic, du kommst dann selber. Aber flott!«
Die Beiden entmaterialisierten. Galbraith Deighton erhob sich taumelnd und hielt sich mit beiden Händen den schmerzenden Kopf. Flehentlich sah er den Halb-Cyno an. »Folgen Sie der miesen Ratte unverzüglich, bevor Sie der Teufel holt.« Ohne jede Hilfestellung für den soeben noch schwer Verletzten teleportierte auch Rorvic.
*
»Oh, der Athlet Dalaimoc Rorvic gedenkt zu kommen«, ätzte Fellmer Lloyd und spielte damit auf die erfolgte Veränderung im Erscheinungsbild des Albinos an. »Hat der Volks-Verfolger erst noch seinen Frühsport absolvieren müssen?«
»Fettabbauzeit zu unseren Lasten!«, schimpfte Ras Tschubai. »Er macht es sich wie immer gemütlich, und wir müssen warten.«
Die vorgefundene Stimmung im Konferenzraum war zum bersten angespannt. Irmina Kotschistowa hatte sich sofort von dem bösartigen Mausbiber entfernt und Schutz in der gegenüberliegenden Sitzreihe gesucht, wohl wissend, dass dieses vergebens war.
»Ach, der Neger-Nazi kann ja reden«, provozierte Balton Wyt in seiner gewohnt prolligen Art. Seine ehemals langen, roten Haare waren bis auf die Schädeldecke abrasiert. Dort prangte nun das mehrstrahlige Sonnenkranz-Tattoo, das seine Gruppen-Zugehörigkeit zur TKuF, Terra Kraft und Freunde, symbolisierte.
»Wo sind denn die anderen?«, keifte Gucky. Sein stechender Blick geisterte durch die Runde, blieb an der Terra-Kirgisin hängen, und suchte sich dann ein neues Opfer.
Lord Zwiebus grunzte drohend und erhielt dafür von Tschubai ein: »Mach Wau.«
Der Pseudo-Neandertaler umklammerte seine Spezial-Keule und gab sich sichtlich Mühe, nicht auszurasten. Doch das störte den Teleporter nicht. Der erhob sich in aller Seelenruhe und schlenderte zu dem Prä-Bio herüber. »Vermisst du dein Pferdchen Taki, möchtest du reiten…?«
Skinhead Wyt wuchtete seinen durch Krafttraining gestählten Körper zwischen die Streithähne. Gucky ließ den mit einer messerscharfen, Terkonit-verzierten Spitze geschmückten Nagezahn aufblitzen, beobachtete das Schauspiel erwartungsvoll.
»Hau drauf!« Wen er damit anfeuern wollte, war nicht erkennbar. Fellmer Lloyd lächelte freudlos. Aber seine Miene zeigte Hass, als er verstohlen einen Schalter seiner Funktionskonsole drückte. Momente später flammten in den Ecken des Raumes vier violette Lichtsäulen, und ausnahmslos alle Mutanten stöhnten unter Schmerzen auf.
»Ich bin kein Idiot. Kenne Sie lange genug, um gut vorbereitet zu sein«, tönte Lloyds nun doch laute und bestimmende Stimme. »Ich weiß doch, dass hier jeder dem anderem den Hals umdrehen möchte. Aber ich bin für das Wohlergehen aller verantwortlich. Von daher sind nun erst einmal die Para-Blocker aktiv. Somit ist ein psi-energetisches Gemetzel verhindert.«
Gucky bedachte seinen alten Gefährten mit einer Reihe von unflätigen Schimpfwörtern. Ras Tschubai grinste.
»Hilft nur nicht!«, rief Wyt und knallte seine Faust in das Gesicht des Teleporters. Der taumelte und fiel zu Boden.
»Wie gesagt, ich bin kein Idiot!«, wiederholte der Chef des Neuen Mutantenkorps, als aus in den Wänden versteckten Kammern acht TARA III UH Kampfroboter mit aktivierten Waffenarmen schwebten. »Wir müssen die Verluste in Grenzen halten. Ach, Ras Tschubai, tragen Sie ihr nun entstehendes blaues Auge mit Würde. Sie haben es sich verdient. Leider kann auch Irmina ihnen nicht zur Hilfe kommen.«
Ras Tschubai rappelte sich wieder auf. »UHU, beanspruche die Medofunktion.«
Keiner der Kampfroboter reagierte. Verwirrt sah Ras Tschubai zu Fellmer Lloyd hinüber. Der schüttelte grinsend den Kopf. »Die Medofunktion ist nur bei Notfällen abrufbar, nicht aber bei einer solchen Bagatelle. Ras, das Veilchen ist Ihre Zierde.«
Balton Wyt griente breit, ballte erneut die Fäuste und hob die Augenbrauen: »Noch eine Zugabe, Neger-Nazi?«
Aus der rüsselähnlichen Mundöffnung eines über zwei Meter großen, beinahe transparenten Wesens kam ein verängstigtes Fiepen.
»Was ist, hat der stumme Trompeter Jericho die Hosen voll?«, reagierte sich Ras Tschubai an dem zerbrechlich aussehenden Wesen ab.
»Sein Name ist Merkosh«, wies ihn Lloyd zurecht.
»Ist er nicht. Er wurde so nur genannt!«, widersprach Gucky. »Aber Jericho gefällt mir sehr. Ist doch schön, nicht wahr, Jericho?«
Leise Zustimmung wurde trompetet.
»Brav, Jericho, brav.« Der Ilt nickte zufrieden.
»Warum haben Sie uns gerufen, Chef?«, ging Dalaimoc Rorvic dazwischen, dem das Geplänkel offensichtlich gar nicht gefiel.
»Ja warum, Chef?«, äffte Gucky ihn respektlos nach.
»Ich denke, die hier anwesenden Mutanten sind sich nicht dem gesamten Ausmaß der Krise, in der sich das Solare Imperium sich befindet, bewusst«, begann Lloyd.
»Geschenkt. Der Chef ist tot!«, rief der Ilt vorlaut dazwischen. »Es lebe der Chef!«
»Ebenso sein Sohn Michael und unser Bündnispartner Atlan«, ergänzte Ras Tschubai.
»Das ist noch nicht alles. In der letzten Nacht hat sich Staatsmarschall Reginald Bull das Leben genommen.«
Nach dieser Information des Mutanten-Führers wurde es mit einem Mal beängstigend still. »In seiner Abschiedsmemo erwähnt er, dass der nach über eintausendfünfhundert Jahren entstanden Verlust nicht zu bewältigen sei.«
Die Stimme Reginald Bulls klang aus dem Komlautsprecher: »Ich folge ergeben einem Freund.«
»Seine allerletzten Worte…«, erklärte Fellmer Lloyd. »Der Suizid des Staatsmarschalls und Perry Rhodans Stellvertreters ist aus Gründen der Imperialen Stabilität noch nicht publik gemacht worden.«
»Einen Gully für Bully!«, rief Balton Wyt enthusiastisch, erhielt aber keinerlei Reaktion.
»Nein nicht Bully, nicht auch noch Bully!« Guckys schriller Aufschrei ließ den Anwesenden das Blut in den Adern gefrieren, während er weiter stammelte: »Das ist nicht … kann nicht sein …«
»Du hast nichts davon gewusst oder gespürt?«, fragte Lloyd sichtlich erstaunt. »Das befremdet mich, ihr wart doch so dicke miteinander.«
»Nicht in den letzten Wochen mit den zwei Perrys, da traute doch keiner dem Anderen mehr«, erklärte sich Gucky.
»Ach, auch die Establishment-Mutanten hatten keine Ahnung?«, wunderte sich Balton Wyt. Der machte ja keinen Hehl aus seinem Hass gegenüber den übervorteilten Zellaktivtorträgern im Korps. »Damit sind nun mit Bulls auch vier Zellaktivatoren frei.«
»Halts Maul!«, machte Gucky mit leiser, weinerlicher Stimme.
»Manch sogenannter Freund zeigt gelogene Tränen«, wandte nun der Instinktwächter Lord Zwiebus ein. Die bemerkenswerte Fähigkeit des Halbmutanten war ja keineswegs Psi-gebunden und wurde somit auch nicht durch die Para-Blocker eingeschränkt.
»Was willst du damit andeuten, du Affe?« Gucky nahm eine drohende Haltung ein.
Lord Zwiebus holte mit seiner Keule in weitem Schwung aus.
Nur das Eingreifen Balton Wyts, der sich mit beiden Händen an die Keule klammerte, verhinderte, dass die TARAS ihre Waffen auf den Prä-Bio abfeuerten.
»Vier Zellaktivatoren sollten zur Verfügung stehen. Wo sind die Eier von ES? Wer wird sie erhalten und wer entscheidet darüber?« Der 3078 geborene Balton Wyt war ohne Zellaktivator nun schon 378 Jahre alt. Auch wenn er einen deutlichen Anteil dieser Jahre im Tiefschlaf verbracht hatte, fühlte er nun ein deutliches Verlangen nach solch einem lebensverlängerndem Gerät. Er fuhr auffallend fahrig fort: »Ich mein ja nur … falls das noch jemanden interessieren sollte.«
»Warum denn das …?« Zwiebus schrie und tobte nun unkontrolliert. »Bull hat sich nie und nimmer umgebracht.«
»Sag ich doch!« In Guckys Augen glitzerte es gefährlich. Dann zählte er an den Fingern seiner rechten Hand ab: »Perry … tot, Roi … tot, Atlan … tot, Bully auch tot. Alle vom falschen Rhodan gekillt. Den zerfetz ich in der Luft.«
Fellmer Lloyd begriff in diesem Moment, dass das Neue Mutantenkorps in mehrere Lager gespalten war und so nicht mehr funktionieren konnte. Er hatte die Kontrolle verloren, war seinen Aufgaben nicht gewachsen gewesen.
»Galbraith Deighton übernimmt mit seinen Agenten die Untersuchungen der Todesfälle hier und im Verko-Voy-System. Und Julian Tifflor sucht die fremde MARCO POLO, die allerdings nach den Vorfällen verschollen zu sein scheint.«
Die Zuhörer glaubten zwischen den Worten des Telepathen ein leises Schluchzen gehört zu haben. Doch als er fortfuhr, schien er sich wieder gefasst zu haben. »Aber es ist Ihnen ja bereits aufgefallen, dass sich auch unserer Reihen zu lichten beginnen. Die verbliebenen Alt-Mutanten sind nicht aufzufinden. Zudem sind Ribald Corello und Takvorian nicht erreichbar.«
»Wer braucht den Muttermörder?«, keilte Gucky aus.
»Aber Ape Lordi vermisst sein Taki Hottehü«, zischte Ras Tschubai verächtlich, wofür er sich einen Schwinger von Lord Zwiebus einholte, der aus dem Sitz mit seinen überlangen Armen ausgeholt hatte. Wieder einmal ging der Teleporter zu Boden.
Irmina Kotschistowa senkte den Blick und hielt sich die Hände vor die Augen.
Vom Platz des Oproners aus ertönte eine enervierende Sirene.
»Jericho, sei jetzt still!«, schrie Tschubai außer sich vor Zorn.
»Hört mir bitte zu«, versuchte Fellmer Lloyd noch einmal zum Thema zu kommen. »Solarmarschall Deighton wird uns Mutanten die notwendigen Aufgabenbereiche zuordnen.«
»Hat der gerade Bitte gesagt?« fragte Tschubai aggressiv und zugleich irritiert in die Runde.
»Macht Deighton doch schon seit Tagen.« Irmina Kotschistowa winkte genervt ab. »Ich fliege nach Tahun.«
»Und das ist gut so«, wieder Lloyd. »kommen wir weiter unseren Aufgaben nach und retten das Imperium.«
Merkosh blies eine kakofonische Fanfare von nicht einzuordnenden Tönen in den Raum.
Fellmer Lloyd begann hemmungslos zu weinen. Seine Tränen flossen nur so.
»Widerlicher Weichlinge!« Ras Tschubai wollte sich angewidert abwenden, aber wohin er schaute, begegnete er nur Ablehnung. Und das brachte ihn zum ersten Mal in seinem Leben aus dem Konzept.
»Die Humanita-Seuche befällt auch Zellaktivatorträger.« Irmina Kotschistowa schaute entsetzt um sich, griff in ihre Uniformtasche und zog ihre blaue Gesichtsmaske über. »Schützt euch!«
Balton Wyt und Lord Zwiebus taten es ihr gleich.
Nur der Mausbiber Gucky saß ohne Maske, aber mit vor Wut glänzenden Augen in der Ecke und zitterte am ganzen Körper. Dann lief er mit seinen kurzen Beinchen hinüber zum Pseudo-Neandertaler und riss ihm mit beiden Händen die Maske vom Gesicht. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Mausbiber noch zu so einer schnellen körperlichen Aktion in der Lage sei. »Du bist kein Mensch und brauchst das nicht. Also tu nicht so affektiert«, tobte der Ilt mit sich überschlagender, schriller Stimme.
Lord Zwiebus holte schon wieder mit einer Pranke aus. Doch Gucky rührte sich nicht vom Fleck. »Wage das ja nicht, Äffchen!« Still und aufrecht stand er vor dem gewaltigen Pseudo-Neandertaler, und blickte ihn so lange von unten an, bis dieser den Arm wieder sinken ließ. »Gut so, Ape-Man. Und holt endlich Tschubai und Lloyd hier raus.«
Zwiebus Rachen entkam ein rülpsendes Geräusch. »Und was ist mit dem stummen Trompeter? Der ist doch offensichtlich auch krank, der hat doch Angst?«
»Quatsch keine Opern!« Gucky legte den Kopf schief und lächelte den Oproner böse an. »Nicht wahr, Jericho?«
Merkosh nickte so heftig, dass ihm der Rotz meterweit aus dem Rüssel spritzte.
Wenig später kamen Volks-Verfolger-Soldaten herein und separierten die höchst apathisch wirkenden Erkrankten.
»Der neue Chef bin ich!«, krönte sich Gucky selber. »Ist jemand anderer Meinung?«
Merkosh stülpte zutiefst verunsichert seinen Lippenmund vor und zurück.
»Einer muss es doch machen«, sagte Balton Wyt sehr schnell. »Aber es sollte kein extraterrestrischer Mutant, sondern ein Terraner sein.«
»Und der wären nach Adam Riese dann Sie, Wyt?« Dalaimoc Rorvic schüttelte seinen kahlen Schädel. »Chef einer gerade mal vierköpfigen Multi-Kulti-Truppe. Geiler Job!«
»Fresse, Fettsack, der Multi-Kulti-Para-King bin ich!«, konstatierte der Mausbiber.
Lord Zwiebus warf in diesen Augenblick seine überlangen Arme vor. Er griff beidhändig nach dem Ilt. Eine Pranke umschloss den kleinen Körper, die andere den Kopf mit den großen, putzigen Ohren. Überrascht riss Gucky die Augen auf und starrte den riesenhaften Pseudo-Neandertaler angstvoll an.
Sofort sirrten die Paralysatoren der TARAS auf. Mit einem spastischen Zucken des Prä-Bios knirschte es aber auch fies im Genick des Mausbibers. Beide stürzen handlungsunfähig zu Boden. Aber nur einer von ihnen atmete noch.
Guckys braune Augen waren leblos gegen die Decke gerichtet, der einzigartige Nagezahn glänzte ein letztes Mal im weit geöffneten Rachen des allerletzten Ilts vom längst vergangenen Planeten Tramp.
In diesem Moment trat Solarmarschall Galbraith Deighton – ohne Maske – durch die Tür. »Ein kleiner Unfall, und dann waren es nur noch drei.«
Er ging, begleitet von den TARAS, wortlos zu jeder Person und legte blau leuchtende Bänder um die Handgelenke. Unter dem Eindruck der Kampfroboter wagte keiner einen Widerspruch oder wehrte sich gar gegen das leicht zu identifizierende Anti-Psi-Band.
»Da ich nun zur Zeit der ranghöchste Regierungsvertreter hier auf Terra bin, habe ich das Mutanten-Sicherungsgesetz zu Ihrem eigenen Schutz ausgerufen.« Er nickte kurz in Richtung des toten Gucky. »Leider etwas zu spät. Damit Sie sich nicht gegenseitig mit Ihren Parafähigkeiten umbringen können, sind Sie ab sofort verpflichtet, diese Armbänder zu tragen. Nur auf ausdrücklichen Dienstbefehl werden Sie berechtigt sein, sie abzunehmen. Noch Fragen? – Ach so, Ihr Dienstherr bin ich.«
»Wer bekommt nun den freien Zellaktivtor?«, fragte Balton Wyt.
to be continued…