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»Strohwitwe« von Christian Eckhard Jäkel

Die terranischen Datenbestände aus präkosmischer Zeit sind nach dem Posizid möglicherweise nicht sehr sorgfältig restauriert worden, jedenfalls fand ich dort als Begriff, der meinen Status beschreibt, das merkwürdige Wort »Strohwitwe«: Eine auf sich selbst gestellte Frau, deren Mann abwesend ist. Wie absurd! Als ob eine Frau von ihrem Mann abhinge. Ach, Perry Rhodan! Manchmal bist du ja nervig, aber ich sehne mich tatsächlich nach dir. Jetzt bist du irgendwo da draußen und rettest mal wieder das Universum, und mich hast du hier auf einem Ministerposten geparkt. Dabei haben wir früher so vieles gemeinsam bewältigt und uns gegenseitig das Leben gerettet.

Fast war ich geneigt, meinen Frust in Vurguzz zu ertränken. Aber erstens kann eine Liga-Ministerin nicht in eine Bar gehen, ohne dass zehn TLD-Agenten mit Schlapphut und Sonnenbrille sie bewachen, und zweitens muss ich Atlan recht geben: Das Zeug schmeckt widerlich! Wie Desinfektionsmittel. Wobei ich zugegeben muss, dass ich noch nie Desinfektionsmittel getrunken habe.

Warum ich das erwähne? Weil ich mich langweilte, und weil der Vurguzz den nicht ausgelasteten Forschergeist einer Hyperphysikerin auf die Frage brachte, ob es der Hersteller tatsächlich schaffte, Teile des Alkoholgehalts in den Hyperraum auszulagern – oder ob das nur ein Werbegag war. Nun ja, im Institut standen mir hervorragende Messgeräte zur Verfügung, bis hin zur Ultra-Giraffe. Da habe ich dann einfach mal eine Probe dieses Getränks im Hinblick auf Hyperanteile analysiert. Erstaunt stellte ich bei der ersten Versuchsreihe fest, dass tatsächlich ein variabler Hypermassenanteil angezeigt wurde, und zwar regelmäßig schwankend. Das hatte ich noch nie erlebt: Bei allen Hyperkristallen ist die Schwankung unvorhersagbar. Aus Spaß erstellte ich einen Algorithmus, der den zeitlichen Verlauf der Schwankung prognostizieren konnte.

Als ich mein Rechenverfahren in einer zweiten Versuchsreihe testen wollte, war der Effekt verschwunden. Aber ich hatte doch nichts geändert!? Beim Eingeben der Daten in die Positronik fiel mir plötzlich auf, dass ich an dem Tag meinen Ring nicht trug. Ich musste ihn morgens im Bad vergessen haben. Den Ring? Ja, Perry, den Ring, den du mir einmal geschenkt hast, mit diesem Hyperkristall, diesem Kyasoo.

Ein dritter Test brachte Gewissheit. Ja, es war der Kyasoo; er reagierte auf die Anwesenheit des Vurguzz, und die normalerweise unvorhersagbar schwankende Hypermasse synchronisierte sich mit dem Hyperalkohol, so dass beide Anteile in regelmäßiger und berechenbarer Weise variierten. Aber dann – konnte man ja die Phasen, in denen der Kristall sich mittels des Tentonischen Donators aufladen ließ, perfekt vorausberechnen und somit eine nie dagewesene Effektivität erreichen!

Ich stellte fest, dass der Wirkungsgrad sich gegenüber Khalumvatt bereits ohne besondere Abstimmung verdoppeln und die Lebensdauer verdreifachen ließ. Wenn man die Menge des Vurguzz präzise auf den Abstand zum Kristall abstimmte, wurde er noch viel leistungsfähiger: 60-fache Lebensdauer und 30-facher Wirkungsgrad. Ich erlaubte mir, diese Kombination als Vurguzzit zu bezeichnen.

Zu Testzwecken baute ich einen einfachen Vurguzzit in meine private Space-Jet ein. Tatsächlich erreichte sie praktisch den vorausberechneten Überlichtfaktor, und der Zerfall des Kristalls erfolgte entsprechend langsamer. Ich überlegte mir, welch einen traumhaften Fortschritt so ein Vurguzz-Antrieb für die Schiffstechnik der Flotte bedeuten würde …

Und dann kam mir der Gedanke, dass du, Perry, damit 60-mal so weit fliegen würdest, um anderer Leute Probleme zu lösen, wenngleich nur mit 30-facher Geschwindigkeit. Das war eine einfache Kopfrechenaufgabe. Deine Reisen würden doppelt so lange dauern wie ohne den Vurguzzit. Du würdest also noch länger fortbleiben und noch später nach Hause kommen. Sollte ich mir das wirklich antun? Ich traf eine Entscheidung.

»Positronik! Identifikation Sichu Dorksteiger!«

»Identifikation bestätigt.«

»Aufzeichnungen Projekt Vurguzzit einschließlich aller Backups löschen!«

»Bist du sicher?«

»Ja.«

»Aufzeichnungen und Backups gelöscht!«

Jetzt muss ich nur noch den Prototyp aus meiner Space-Jet wieder ausbauen. Schade eigentlich. Aber wenn Perry mir darauf kommt, ist er wahrscheinlich so sauer, dass er sich von mir trennt.

(Und wenn die Expokraten mir darauf kommen, dass ich ihr sorgsam eingefädeltes Technik-Downgrading unterlaufen könnte, entsorgen sie mich eiskalt, da mache ich mir keine Illusionen. Vielleicht ja mittels Heldentod. Ha – ha!)

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