Dietmar Schmidt
PERRY RHODAN
MISSION SOL 2, Band 7
Drei hoch Psi
Science-Fiction, Heftroman, Hörbuch und E-Book, Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt, 12. Juni 2020, 64 Seiten, € 2,50, Titelbild: Arndt Drechsler
Der Autor und Übersetzer Dietmar Schmidt verfasste die Bände 7 und 10 der aktuellen PERRY RHODAN-Miniserie. Ein Interview zu seiner Übersetzertätigkeit findet sich in der Ausgabe 06/2020 des Corona Magazine.
Alexandra Trinley: Dietmar, wie schreibt es sich in Zeiten der Pandemie, wie wirken sich die veränderten Lebensumstände auf den Arbeitsprozess aus?
Dietmar Schmidt: Arbeit und Arbeitsumgebung bleiben gleich; man arbeitet ja ohnehin zu Hause und allein. Die Pandemie schlägt in anderen Bereichen zu: Die zeitlichen Rahmenbedingungen wurden schlagartig enger. Abläufe im Verlag dauern nun länger, und da der Erscheinungstermin eines Heftromans nun einmal feststeht, wird für die Autoren die Zeit knapper.
Aber auch auf den Inhalt einer Miniserie kann die Pandemie ihre Auswirkungen haben. In Band 5 von MISSION SOL 2 bricht eine Seuche an Bord des Hantelraumschiffs aus. Man könnte auf den Gedanken kommen, die Miniserie wolle sich an aktuelle Ereignisse anhängen, aber die Idee ist älter gewesen als die Pandemie. Ursprünglich sollte in meinen beiden Romanen den Ursachen dieser Seuche nachgegangen werden, aber die Handlung der Miniserie wurde kurzfristig in eine ganz andere Richtung entwickelt, wie wir in Band 7 ja schon sehen.
Alexandra Trinley: Die aktuelle PERRY RHODAN-Miniserie MISSION SOL 2 (PRMS2) ist mit deinem Roman in die zweite Halbzeit eingetreten. Er trägt den Titel »Drei hoch Psi«. Das darin beschriebene Volk lebt in Dreierblocks mit mathematischen Potenzen. Wie entsteht so ein »Alien of the Week« – macht das der Expokrat, der Autor allein oder gibt es einen Austausch?
Dietmar Schmidt: Im Fall der Xilor haben wir uns auf Slack, einer Chatplattform, gegenseitig Bälle zugeworfen. Brainstorming mit Kai Hirdt ist sehr effizient, und die neue Spezies nahm sehr rasch immer schärfere Konturen an. Wie es immer so ist, besaßen wir nachher viel Material, von dem es nur ein Bruchteil in den Roman geschafft hat.
Alexandra Trinley: Die Paraphänomene beschreibst du nur aus der Nähe, wenn wenige Xilor anwesend sind. Bei den Blöcken in Hochpotenz bleibst du mit dem Erzählstandpunkt ganz weit weg. Fasziniert dich nicht, dich in so etwas Großes und Mächtiges einzufühlen?
Dietmar Schmidt: Nun, schon, nur hier schien es nicht zu passen, nahe zu erzählen. Die Fähigkeiten der Xilor werden mit steigender Potenz abstrakter, unpersönlicher. Das sollte sich auch in der Erzählweise widerspiegeln. Außerdem hätte solch eine nahe Schilderung einen Xilor – oder besser, ein Xilor-Triplett – als Perspektivfigur(en) erfordert. Um das auszubreiten, fehlte schlichtweg der Platz. In den Roman einer Miniserie muss oftmals Handlung passen, die für zwei Hefte der Hauptserie gereicht hätte.
Alexandra Trinley: Wen zeigt das Titelbild?
Dietmar Schmidt: Es handelt sich um Perry Rhodan im Cockpit seiner Space-Jet.
Alexandra Trinley: Wie eng hast du beim Erstellen des Titelbilds mit Arndt Drechsler zusammengearbeitet?
Dietmar Schmidt: Klaus N. Frick fragt nach Szenen, die sich für ein Titelbild eignen. Ich schicke ihm meist zwei oder drei Vorschläge, und er reicht das, was ihm geeignet erscheint, an Arndt weiter. Arndt greift dann auf, was ihn am meisten interessiert.
Alexandra Trinley: Die Miniserie spielt in der Galaxis Yahouna. Wo ist die, und welcher Konflikt tobt dort?
Dietmar Schmidt: Yahouna trennen 54 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße. Über diese Sterneninsel herrscht die Superintelligenz BARIL und wird von den heimischen Spezies quasireligiös verehrt. BARIL betreibt den Ausgleich zwischen den Ordnungs- und den Chaosmächten des Universums. Dabei ahmt sie allerdings nicht das Konzept des Dritten Weges nach, wie man es aus der PERRY RHODAN-Serie schon kennt, dessen Anhänger sich weder mit den einen noch den anderen einließen.
Alexandra Trinley: Und welche Rolle spielt BARIL?
Dietmar Schmidt: BARIL steht mal auf der einen, mal auf der anderen Seite, und am Ende sollen die Anstrengungen für beide Seiten einander aufheben.
BARIL hat eine Weile für die Kosmokraten agiert, heute aber scheint die Superintelligenz die Terminale Kolonne TRAITOR zu unterstützen, die wiederum den Chaotarchen dient.
Wer den »Negasphäre«-Zyklus noch kennt, erinnert sich, dass TRAITOR etwa 200 Jahre zuvor versucht hatte, die Milchstraße als Ressourcenquelle auszubeuten. Wenn dieses Machtinstrument der Chaotarchen wieder in unserem Universum aktiv wird, und das nach kosmischen Maßstäben doch recht dicht zur Heimatgalaxis, muss das Perry Rhodan beunruhigen. Da kann er nicht tatenlos zusehen.
Alexandra Trinley: Dein Eroin Blitzer ist ein übermächtiger, gefühlloser Giftzwerg, der buchstabengetreu seiner Idee von Gerechtigkeit folgt und den Tod der Nichtgetreuen jederzeit in Kauf nimmt. Hast du bei der Gestaltung Szenen aus dem echten Leben im Hinterkopf gehabt?
Dietmar Schmidt: Nein, glücklicherweise kenne ich keine Massenmörder. Sich in die Psyche solch eines Wesens hineinzubegeben, ist allerdings schon unheimlich. Man muss sehr dicht schildern, was in ihm vorgeht, und dann versuchen, die unangenehmen Seiten zu eskalieren.
Alexandra Trinley: Sympathisierst du mit BARIL?
Dietmar Schmidt: Für ein abschließendes Urteil wissen wir im Moment noch nicht genug über die Superintelligenz.
Alexandra Trinley: Fürchtest du bei dieser Art der Schilderung keine Entzauberung der kosmischen Ebene? Wenn du das mit der Gestaltung bei Voltz vergleichst?
Dietmar Schmidt: Bei einem Vergleich mit Voltz kann ich sicher nur verlieren. Gleichzeitig können wir heute die Begegnungen mit – ich versuche das mal sehr allgemein auszudrücken – kosmischen Entitäten wohl nicht mehr so schildern wie in den späten Siebzigern. Dazu ist im zurückliegenden halben Jahrhundert Realzeit in der PERRY RHODAN-Serie zu viel geschehen. Wir haben mittlerweile eine viel abgeklärtere Perspektive, mit der man nicht mehr allein staunend auf solche Erscheinungen blicken kann. Und auch bei Voltz hatten die kosmischen Entitäten teils sehr tiefe Abgründe.
Alexandra Trinley: Wie siehst du die gemischte Besatzung an Bord der SOL? Wer ist für dich am interessantesten, und warum?
Dietmar Schmidt: Die Besatzung der SOL und ihre Dynamiken hätten einen eigenen Roman verdient. In einer Miniserie hat man dazu leider nicht den nötigen Platz, wie schon erwähnt. In der ersten MISSION SOL-Miniserie konnte ich sehr viel mit der Besatzung arbeiten, in dieser zweiten fast gar nicht. Ich fand die Frage sehr interessant, wie sich Neuhinzugekommene wie etwa die Vilamesch-Solaner in die Besatzung integrieren. In PRMS2 3 konnte ich anreißen, dass sie sich ein wenig verschaukelt fühlten – sie waren an Bord gekommen, um neue Galaxien zu erforschen, und stattdessen ändert die SOL den Kurs, um eine altbekannte Sterneninsel anzufliegen. Ich würde solchen Themen gern mehr Raum geben, auch der Frage, wozu ein positronisch aufgebrezeltes Schiff wie die Raumer des sechsten Jahrtausend alter Zeitrechnung eigentlich etliche Tausend Besatzungsmitglieder benötigen.
Alexandra Trinley: Eine Frage für die Neuleser: Was exakt ist eine Negasphäre?
Dietmar Schmidt: In einer Negasphäre kann die kosmische Ordnung nicht aufrechterhalten werden. Ein Ort des Chaos und der Willkür entsteht, ohne Naturgesetze, ohne Logik, der sich ausbreitet. Die Chaotarchen streben diesen Zustand an, und wenn in einem Universum mehrere Negasphären existieren, entsteht – nach langer Zeit – ein Universum, in dem das Chaos herrscht.
Alexandra Trinley: Und eine Frage für den Überblick: Auf welchen Ebenen spielt die Handlung?
Dietmar Schmidt: Perry Rhodan ist in den Dienst einer Ritterin BARILS getreten: Er fungiert als A-Kuatonds Orbiter, sozusagen die rechte Hand eines Ritters im Dienst höherer Mächte. Währenddessen erkundet Roi Danton, Perry Rhodans Sohn, mit einer technisch aufgemotzten Korvette das Sphärenlabyrinth. Bei diesem Artefakt kommt wieder die Terminale Kolonne TRAITOR ins Spiel. Sie operiert universenübergreifend – aber in der PERRY RHODAN-Serie ist der Wechsel in ein fremdes Universum mit üblen Begleiterscheinungen verbunden, dem Strangeness-Schock. Das Sphärenlabyrinth erlaubt nun TRAITOR, diese Beeinträchtigungen zu umgehen. Perry Rhodan und der Besatzung der SOL ist ganz klar, dass sie nicht zulassen dürfen, dass die Terminale Kolonne in den Besitz solch einer Transporteinrichtung gelangt.
Alexandra Trinley: Terminale Kolonne, Ritter der Tiefe … wann hast du die Romane gelesen, in denen sie eingeführt wurden, und wie haben sie damals auf dich gewirkt?
Dietmar Schmidt: Dass die Terminale Kolonne die Szene betrat, ist noch nicht so lange her – in den Bänden ab 2300 taucht sie in der Handlung auf. Ich fand damals, dass die Bedrohung schon sehr früh sehr präsent war – und dann steigerte es sich in einem ungeahnten Maß. Für mich einer der besten Zyklen der Serie.
Die Ritter der Tiefe sind älter als meine RHODAN-Leserschaft, die 1980 begann. Sie bilden einen Orden, der im Auftrag der Ordnungsmächte handelt. Es heißt, wenn der letzte Ritter der Tiefe stirbt, erlöschen die Sterne. Wir sehen uns hier dem erhöhten Mystik-Anteil der Voltz’schen Ära gegenüber. Als ich davon las, war ich hin und weg, und das, obwohl ich damals eher der Technik-SF-Fan gewesen bin.
Alexandra Trinley: An deinem Roman fällt das exakte Benennen der Zusammensetzung von Materialien auf. Woher kommt diese Neigung?
Dietmar Schmidt: Mir ist das gar nicht aufgefallen. Da muss es sich wohl um eine persönliche Eigenschaft handeln. Wenn man Chemie studiert, entwickelt man einen Hang dazu.
Alexandra Trinley: Des Weiteren fällt das strategische Vorgehen in der von dir geschilderten Raumschlacht auf. Du übersetzt historische Romane und Krimis, kommt das daher, und wie übertragbar sind Seeschlachten auf Raumschlachten?
Dietmar Schmidt: Für taktische Aspekte habe ich mich schon interessiert, bevor das Übersetzen (oder Schreiben) in Sichtweite war. Besonders, was Raumschlachten anging. Als Teenager war ich fasziniert von E. E. Smith, der in seinen Lensmen-Romanen gewaltige Raumflotten in perfekt durchgeplanten Formationen gegeneinander antreten lässt. Die Serie ist übrigens ein frühes, wenn nicht das früheste Beispiel für intergalaktische SF; die Handlung verlagert sich in eine Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie.
Die Übertragung von Seeschlachten in den Weltraum hat David Weber sehr intensiv vorgenommen, dessen Honor-Harrington-Serie ich etliche Jahre lang übersetzt habe. Die Umsetzung ist aber sehr stark von den technischen Parametern abhängig. In PRMS 11 und auch in »Drei hoch Psi« habe ich durchaus davon profitiert, da ich hier technisch unterlegene Kampfflotten beschreiben musste.
Anders als bei einer Seeschlacht muss man bei einem Raumgefecht im Kopf behalten, dass sich im All alles bewegt, und das nicht in zwei, sondern in drei Dimensionen. Ein Schiff, das seine Triebwerke benutzt, beschleunigt, und solange der Antrieb weiter arbeitet, erhöht sich die Geschwindigkeit. Ein Seeschiff bewegt sich in einem Medium, das es abbremst und seine Geschwindigkeit limitiert; im All ist die Grenze die Lichtgeschwindigkeit. In der Nähe von »c« unterliegt man jedoch physikalischen Bedingungen, die das Führen eines Gefechts sehr schwierig machen würden. Aber auch darunter muss die aufgebaute Geschwindigkeit durch gleichstarken Gegenschub wieder abgebaut werden, denn es gibt kein Medium, das die Geschwindigkeit verringert.
Alexandra Trinley: Das bedeutet praktisch?
Dietmar Schmidt: Das bedeutet, dass sich Abstände und Geschwindigkeiten zwischen den einzelnen Schiffen ständig ändern. Ohne ausgefeilte Computerunterstützung den Überblick zu bewahren, könnte schwierig sein. Ich denke, dass sich bei den Crews von Kampfraumschiffen Perspektiven und Vorgehensweisen einstellen würden, die sich stark von denen eines Seekriegsschiffes unterscheiden dürften. Vielleicht kommt es ja doch noch zu Flottenverbänden, die durch ein ausgeklügeltes Netz von Traktor- und Pressorstrahlen zusammengehalten werden wie bei E. E. Smith.
Alexandra Trinley: Die Zahlenreihen im Roman sind überbordend und prägen die Progression der Handlung. Ich kann mich nur an einen Roman von Christian Montillon erinnern, in dem derart stark mit Zahlen gearbeitet wird. Deine Idee?
Dietmar Schmidt: Da könnte abermals der naturwissenschaftliche Hintergrund durchgeschlagen sein.
Alexandra Trinley: Dann danke ich dir für die Auskünfte. Noch eine letzte Frage: Du schreibst jetzt regelmäßig bei den Miniserien mit. Wird das nicht irgendwann zur langweiligen Routine?
Dietmar Schmidt: Seit 2017 habe ich acht Heftromane zu vier PERRY RHODAN-Miniserien beisteuern dürfen. Routine ist mir das noch nicht geworden. Ich finde mich schneller in ein Exposé hinein als bei den ersten Projekten und schreibe auch nicht mehr so viele überflüssige Szenen, die dann gestrichen werden müssen. Mit den eingangs erwähnten zeitlichen Einschränkungen hätte ich vor drei Jahren sicher noch nicht umgehen können. Bei jedem Exposé kommt ein Moment, in dem ich denke: Das schaffst du im Leben nicht. Ich weiß aber mittlerweile, dass ich es schaffen kann und schaffen werde.
Trotz dieses kleinen Fortschritts glaube ich jedoch nicht, dass ich im Sinne des Wortes routiniert schreibe. Und langweilig ist gar nichts dabei. Ich habe nun mit drei Exposé-Autorinnen und -Autoren zusammengearbeitet: Uwe Anton, Susan Schwartz und Kai Hirdt, in dieser Reihenfolge, und es war jedes Mal anders. PERRY RHODAN-Romane zu schreiben, bleibt für mich eine Herausforderung, und wie ich woanders schon gesagt habe: Für mich gibt es im Perryversum noch vieles zu entdecken.
Eine Lese- und Hörprobe und weitere Informationen gibt es auf der PERRY RHODAN-Website.
Eine Handlungszusammenfassung gibt es in der Perrypedia.
Eine Übersichtsseite zur Miniserie MISSION SOL 2 »Labyrinth« gibt es ebenfalls auf der PERRY RHODAN-Website.
Die Interviewreihe zu PRMS1 als kostenloses E-Book »Mission Evolux«.