Den neunten Band der von Uschi Zietsch konzipierten Miniserie OLYMP, »Rückkehr ins Chaos«, schrieb Olaf Brill. Er gab dem Geisterspiegel bereits ein Interview zu Band 6.
(Erstveröffentlichung des Interviews auf Geisterspiegel.de)
Alexandra Trinley: Olaf, du hast Sachbücher und Sachtexte geschrieben, kamst spät zum fiktionalen Erzählen …
Olaf Brill: Darf ich da kurz einhaken? Ich bin zurückgekommen zum fiktionalen Erzählen! Das war einfach das Liebste, das ich in meiner Kindheit und Jugend gemacht habe, damals natürlich nicht auf professioneller Ebene. Lesen und Schreiben – das gehörte für mich einfach immer zusammen. Und gelesen habe ich ja unter anderem PERRY RHODAN. Ich bin superfroh, dass gerade diese Serie mir heute die Gelegenheit gibt, der alten Leidenschaft zu folgen … und zwar als berufsmäßiger Autor.
Alexandra Trinley: Seit anderthalb Jahren bist du für die STELLARIS-Geschichten zuständig, die regelmäßig in der Heftmitte der PERRY RHODAN-Erstauflage erscheinen. Der achte Band von TERMINUS war dein erster Roman, der sechste Band von OLYMP dein zweiter. Nach Band 6 gleich Band 9 – hast du beide Romane direkt nacheinander geschrieben?
Olaf Brill: Fast. Ein paar Wochen lagen schon noch dazwischen, weil das Exposé für den neunten Band noch nicht vorlag. Zeit zur Erholung gab’s aber keine: Ich habe dazwischen einen Artikel für phantastisch! geschrieben und eine Sendung Serienkiller gemacht.
Ursprünglich wurde ich übrigens sogar gefragt, ob ich nicht die direkte Fortsetzung zu Band 6, also Nr. 7, schreiben wollte. Da hab ich in meinem jugendlichen Leichtsinn gleich gesagt: »Klar kann ich das machen!« Vorsichtshalber habe ich nachgeschoben: »Aber muss das sein?« Madeleine Puljic war dann so nett, mit mir zu tauschen. Im Nachhinein glaube ich, es war ganz gut, dass für mich ein bisschen Luft zwischen den beiden OLYMPs lag. Übrigens kannten weder Madeleine noch ich damals die Handlung unserer Bände 7 und 9, wir wussten also nicht, worauf wir uns da eingelassen haben. Stell dir vor: Hätte ich Band 7 und sie Band 9 geschrieben, wären das bestimmt vollkommen andere Romane geworden.
Alexandra Trinley: Trotzdem bist du der Autor mit dem kürzesten Abstand zwischen seinen beiden OLYMP-Romanen. Schließt die Handlung also einigermaßen direkt an?
Olaf Brill: Ja. Band 8 bedient eine ganz andere Handlungsebene, und ich schließe mit Band 9 wieder an die Ereignisse an, die Madeleine in Band 7 beschreibt. Ich konnte also fast die direkte Fortsetzung meiner eigenen Geschichte schreiben, mit den gleichen Figuren.
Alexandra Trinley: OLYMP zeichnet sich durch ausgesprochen lebhafte Charaktere aus, Talin Buff, Piri Harper und viele andere. Wer ist dein Favorit?
Olaf Brill: Generell, mit der gigantischen Erfahrung von drei PERRY RHODAN-Romanen (und ein paar Comics), möchte ich sagen, dass ich sehr gerne Gucky schreibe. Da darf der Autor freche Sprüche raushauen, ohne dass der Redakteur motzt – weil es einfach zu Guckys Charakter gehört! Nun kommt Gucky in meinen beiden OLYMP-Romanen ausgesprochen selten vor (obwohl er in Band 9 eine wichtige Rolle hat) … Da sage ich, dass mir bei OLYMP besonders die starken Frauenfiguren gefallen. Die Exposés stammen ja von Uschi Zietsch, und ehrlich gesagt bin ich superfroh, als Autor angefragt worden zu sein … denn psst, nur unter uns: Das wäre doch eine prima Gelegenheit gewesen, eine Miniserie nur von Frauen schreiben zu lassen. Im PERRY RHODAN-Team gibt es ja noch ein paar weitere ausgezeichnete Schriftstellerinnen! Aber vielleicht wurden die ja gefragt und hatten keine Zeit, ich weiß es nicht.
Also, um deine Frage zu beantworten: Derin Paca, die Geheimnisvolle – Onara Gholad, wer liebt nicht eine böse Frau? – und Piri Harper, sie allerdings eine Figur, die von Dennis Mathiak erfunden wurde. Wenn du nach einer einzigen Lieblingsfigur fragst, muss es inzwischen wohl Piri Harper sein, denn sie ist die »Normalo-Figur«, durch deren Augen die anderen Figuren beschrieben werden. So macht das Schreiben (und hoffentlich Lesen) einfach Spaß!
Alexandra Trinley: Das habe ich mir gedacht. Kommen wir zur Graphik: Dein Kult um die Brille, die zu deinem Namen passt, fiel mir von Anfang an auf. Im Titelbild gibt es auch so eine auffällige Brille. Wie kam das denn?
Olaf Brill: Ha ha, aufgrund des Titelbilds von Arndt Drechsler hat jemand in einem Forum oder auf Facebook mal gefragt: »Ist das eine Gurkenbrille?« Ich fand das sehr witzig! Tatsächlich handelt es sich um eine Datenbrille, die zu der dargestellten Figur gehört. Ich sollte hier nicht viel dazu sagen, denn wer diese Figur ist, gehört zu den kleinen Geheimnissen der Serie. Genau dieses Geheimnis wird übrigens auf Seite 7 von OLYMP 9 enthüllt!
Alexandra Trinley: Und welcher der beiden OLYMP-Romane hat dir persönlich mehr Spaß gemacht?
Olaf Brill: Auf jeden Fall Band 9! Bei Band 6 habe ich mich in Inhalt und Aufbau stark ans Exposé gehalten. Bei Band 9 hatte ich wesentlich größere Freiheiten.
Alexandra Trinley: Und wie hast du diese Freiheiten genutzt?
Olaf Brill: Der Inhalt war natürlich im Exposé vorgegeben. Der Roman erzählt im Kern die Lebensgeschichten der beiden Figuren, die auf dem Cover abgebildet sind. Es gibt eine Rahmenhandlung, da sitzen Gucky und ein paar andere Leute in einem Wohnzimmer und hören den beiden Geschichten zu. Aber die Gewichtung, die war nicht vorgegeben. Welchen Raum sollten die einzelnen Abschnitte im Heft einnehmen? Das hätte man so lösen können: Die Rahmenhandlung wird ganz kurz abgehandelt und die Lebensgeschichten quasi 50:50 über den Roman verteilt. Dann gibt es also ganz am Anfang ein kleines Kapitel im Wohnzimmer und die erste Geschichte läuft etwa bis zur Mitte des Heftes. Dann wieder ein kleines Übergangskapitel im Wohnzimmer. Und dann kommt die zweite Geschichte in der zweiten Hälfte des Heftes.
Alexandra Trinley: So hast du es nicht gemacht.
Olaf Brill: Nein, das kam mir zu starr vor. Mir war sofort klar, dass die einzelnen Abschnitte unterschiedlich gewichtet werden mussten. Zum einen waren die beiden Lebensgeschichten unterschiedlich bedeutsam: An der einen Figur liegt uns mehr als an der anderen (Stichwort tolle Frauenfiguren). Das musste sich auch in der Länge der Abschnitte niederschlagen. Zum anderen hatte ich das Gefühl, auch die Rahmenhandlung sollte ein stärkeres Gewicht bekommen, statt einfach nur als Übergang zu den Binnenerzählungen zu fungieren. Da sitzen nicht einfach nur Gucky und ein paar andere im Wohnzimmer und hören Geschichten zu. Da passieren interessante Dinge! Da werden zum Beispiel die Beziehungen dieser Leute definiert!
Deswegen habe ich, als ich das Exposé bekam, etwas Ungewöhnliches gemacht: Ich habe einfach mal angefangen, Kapitel 1 zu schreiben. Normalerweise brauche ich nach dem Erhalt des Exposés ein paar Tage, um mir die Handlung, Figuren, Arbeitsplan, Recherchebedarf und Gewichtung der Handlung zurechtzulegen – bevorzugt verwende ich dafür eine ganze Woche …, wenn die Zeit dafür da ist. Wie Michael Marcus Thurner sinngemäß mal geschrieben hat: »Am Roman soll in der Zwischenzeit gefälligst das Unterbewusstsein arbeiten!« Diesmal hatte ich aber für die erste Szene alles da, was ich brauchte: Ich kannte die Vorgängerromane und die Hintergründe der Figuren, wusste genau, wo sie standen und was sie zu tun hatten. Also habe ich einfach mal das erste Kapitel geschrieben, um herauszufinden, ob es funktionierte, die Figuren etwas länger miteinander interagieren zu lassen. Und es funktionierte! Da passierte immer noch nichts weiter, als dass ein paar Typen im Wohnzimmer saßen. Aber es war spannend!
Mit Uschi diskutierte ich noch ein paar Actionelemente, und wo im Roman wir sie bringen könnten. Als sie meinte, ich sollte vielleicht die erste Szene besonders kurz halten, um schnell zur Action zu kommen, schrieb ich zurück: »Du, ich hab die erste Szene schon geschrieben, und sie ist eher lang geworden …« Ich schickte ihr die Rohfassung der Szene (ebenfalls etwas, das ich sonst nie mache) und bekam einen »Daumen hoch« zurück: Jawoll, so konnte man den Roman beginnen!
Nun hatte ich einen Roman, bei dem alle Elemente zueinander passten und das richtige Gewicht hatten: Eine interessante Rahmenhandlung, eine etwas längere erste Lebensgeschichte und eine etwas kürzere zweite Lebensgeschichte. Wenn man einen längeren Text mit drei so unterschiedlichen Elementen schreibt, dann muss man unbedingt darauf achten, dass die drei Elemente zueinander in Beziehung stehen. Ich hoffe, das ist gelungen.
Übrigens habe ich beim Schreiben noch etwas gemacht, das ich nie zuvor so gemacht hatte: Ich habe den Roman konsequent in der »richtigen« Reihenfolge geschrieben. Ich habe also vorne angefangen und dann alle Kapitel direkt hintereinander geschrieben, bis ich ganz zum Schluss der Arbeit am Ende des Romans angekommen war.
Alexandra Trinley: Was du bis jetzt beschrieben hast, sind formale Freiheiten. Welche hattest du beim Inhalt?
Olaf Brill: Wie gesagt wird der Inhalt durch das Exposé vorgegeben. Aber diesmal gab es auch viele schöne Elemente, die ich mir selbst ausdenken durfte. Ich glaube, der Leser wird nicht erraten können, welche Handlungen und Figuren tatsächlich von der Exposéautorin im Detail vorgegeben waren und welche der Autor sich ausgedacht hat. Jedenfalls habe ich diesmal auch viele Dinge eingebracht und recherchiert, die nicht in Exposé und Datenblättern erfasst waren. Ich glaube, ich hatte noch nie so viele PERRY RHODAN-Hefte auf meinem Schreibtisch liegen! Übrigens aus den verschiedensten Phasen der Heftserie. Ich hab Dinge nachgeschlagen, die viele hundert Nummern zurücklagen. Interessant übrigens: Du musst bei solchen Recherchen tatsächlich direkt in die Hefte gucken, und nicht etwa bloß Daten in der Perrypedia vertrauen. Da findest du einfach mehr!
Alexandra Trinley: Die Perrypedia sucht ständig Mitarbeiter zum Ergänzen. Sie ist ein Wiki. Zu deinem Roman: Kannst du ein konkretes Beispiel für eine Handlung geben, die nicht im Exposé stand?
Olaf Brill: Da kann ich etwas über unseren »Guru« Ram Nanuku erzählen. Im Exposé stand in der einen Lebensgeschichte quasi: »Ram Nanuku sagt Tschüss.« In Band 6 hatte ich bereits beschrieben, dass Ram Nanuku in der Vergangenheit eine besondere Beziehung zu Derin Paca hatte. Ich hatte darin sogar eine lange zurückliegende Abschiedsszene zwischen den beiden angedeutet, die auf einem fernen Planeten spielte. Als ich für Band 9 nochmal im Datenblatt zu Ram Nanuku nachlas, stellte ich mit Erstaunen fest, dass da stand: »Ram Nanuku ist noch nie mit einem Raumschiff geflogen, er hasst das.« (Kein wörtliches Zitat.) Ich hatte das ehrlich gesagt einfach überlesen, denn beim Schreiben klebt man nicht immer am Exposé.
Nun gab mir OLYMP 9 die Gelegenheit, diese Szene etwas genauer zu schildern und zu erklären, warum er eben doch mit einem Raumschiff geflogen ist, um Derin Paca zu treffen. Zum Glück passte das genau in die vorgegebene Handlung.
Alexandra Trinley: Wie schön! Es passt ja nicht immer alles hinein. Im Interview zu Band 6 gabst du uns einen sogenannten Outtake, eine nicht in den Endroman übernommene Passage, als Leseprobe. Gab es diesmal auch so was?
Olaf Brill: Diesmal gab es weniger Passagen, die ich tatsächlich geschrieben, aber hinterher verworfen habe. Dafür gab es sehr viele Ideen, die ich erwogen, dann aber nicht umgesetzt habe. Allein die beiden Lebensgeschichten, die über Jahrzehnte gehen, hätten jede für sich zu einer eigenen Miniserie ausgebaut werden können, und ich musste sie beide in einem Roman unterbringen! Das habe ich natürlich durch elliptische Erzählweise gemacht: Ich erzähle den Anfang und das Ende und lasse viel aus, was dazwischen passiert sein muss.
Im Exposé stand zum Beispiel, dass Krystophar am Ende mit einem Springerschiff zurück nach Olymp kommt, das ist die »Rückkehr ins Chaos« aus dem Titel. Das Verkehrsmittel, das er dabei benutzt, war aber nicht weiter wichtig. Also hatte ich die Idee, er könnte, statt im Walzenraumer zu fliegen, doch eine Passage auf der STELLARIS buchen, dem Raumschiff aus der Kurzgeschichtenreihe in der PERRY RHODAN-Serie, für deren Betreuung ich verantwortlich bin. Ich hätte den Raumschiffsnamen gar nicht explizit erwähnt, aber den erfahrenen PERRY RHODAN-Lesern genug Hinweise gegeben, um welches Schiff es sich handelt … eine kleine, kaum versteckte Anspielung für alte Fans. Doch als ich beim Schreiben an die betreffende Stelle kam, stellte sich heraus, dass die Geschichte – eben wegen der elliptischen Erzählweise – schnell abgeschlossen werden musste und der Rückflug gar nicht groß beschrieben werden darf. Also fiel diese Idee raus.
Alexandra Trinley: Vielleicht kommt das ja mal in STELLARIS. Als Erinnerung an OLYMP. Welche Passage favorisiert du dann?
Olaf Brill: Einige Lieblingsszenen kann ich hier nicht bringen, da sie Aha-Elemente enthalten und besser im Fluss des Romans gelesen werden sollten. Aber vielleicht gefällt dir diese Stelle, es ist eine Szene mit Piri Harper und Gucky:
Der berühmte Mausbiber und Multimutant würde sie mitnehmen auf einen Sprung durch den Hyperraum. Er konnte mit zwei Personen gleichzeitig teleportieren, das hatte jedes olympische Kind in der Schule gelernt. Aber wie viele hatten es schon erlebt?
Gucky griff nach ihren Händen und blickte grinsend erst an ihr, dann an ihm hoch. Bereit?, sagte die Miene des Mausbibers.
Harper schluckte und nickte. Sie spürte, wie Guckys Pfote sich um ihr Handgelenk schloss, und dann …
Mehr Leseproben zur Miniserie OLYMP gibt es auf der PERRY RHODAN-Website.