(Rezension) Hubert Haensel – Die letzte Transition (PR 2882)

 

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Attilar Leccore wechselt Körperform und Identitäten – unkontrolliert, als er, Perry Rhodan und Pey-Ceyan den heftigen Transitionsschmerz verarbeiten müssen, dem sie bei der Materialisation der tiuphorischen Raumyacht ODYSSEUS ausgesetzt sind. Diese Neigung zum Kontrollverlust kennen wir bereits. Doch bei Hubert Haensel liegt der Schwerpunkt nicht auf der Ichfindung, sondern auf den konkreten Körpervorgängen, der physischen Deformation und der Anpassung an die neuen Verhältnisse: »Attilar Leccore taumelte zwischen zwei Existenzen und schien es selbst gar nicht wahrzunehmen. […] Er sprach Interkosmo, vermischt mit dem Idiom der Tiuphoren. Beides erklang gleichzeitig, weil zwei Münder gemeinsam redeten. Für Perry Rhodan entstand der Eindruck, als überlagerten sich zwei Personen.« (S.5). Als er zu sich kommt, wird er Mensch – jedenfalls der Koda Aratier, der als Mensch aufwuchs.

Die Drei haben eine tiuphorische Yacht gestohlen, um aus dem tiuphorischen Sterngewerk CIPPACOTNAL zu fliehen. Der Mangel an Platz und rechten Winkeln, den die Tiuphren lieben, macht ihnen ebenso zu schaffen wie die Kälte. Leccore kann immerhin in die tiuphorische Körperform wechseln, da friert er nicht so. Nach dreitägigem Flug fallen die Aktoren aus, jene Aggregate, die sowohl für den überlichtschnellen Flug benötigt werden. Nach weiteren Tagen angestrengter Arbeit müssen sie einsehen, dass die Aktoren mit Bordmitteln nicht repariert werden können.

Was tun? Man könnte um Hilfe funken, gar das Sterngewerk – Mutterschiff – anrufen, vom dem man floh. Besser als der Tod. Doch genau in diesem Moment erscheint in nur fünfeinhalb Lichtmonaten Entfernung ein unbekanntes Raumschiff mit 300 Meter langem, 200 Meter durchmessendem tonnenförmigem Hauptkörper. Messungen ergeben, dass eine kegelförmige Sektion, die mit einer ausgedehnten Gitterkonstruktion am Hauptkörper angeflanscht wurde, einen radioaktiv strahlenden Antrieb enthält. Es scheint mit vergleichsweise einfacher Technik zu fliegen.

Perry Rhodan folgt seiner Intuition: Beim Anfunken redet er viel, erzählt von der Erde. Kommodore Vac von der GRENZENLOSES STREBEN aus dem Sternenimperium der Baconbal meldet sich. Er hat verstanden, dass die Fremden ein Übersetzungsgerät füttern wollen und legt ebenfalls los, mit einem Selbstvertrauen, das zum technischen Stand seines Schiffes in keinem Verhältnis steht. Sein glorreiches Volk, die Baconbal, werde schon bald die gesamte Galaxis erobern und das Universum. Dahinter steckt Angeberei: Die Baconbal sind eigentlich friedlich und haben sich mit diesem Schiff zum ersten Mal aus dem heimatlichen Sonnensystem hinausbewegt. Die Besatzung der ODYSSEUS sind die ersten Fremdwesen, denen sie begegnen. Aber sie haben den Hyperfunk anderer Völker abgehört und gehen davon aus, dass die auch nur angeben, wenn sie von interstellaren Reisen sprechen. Also tun sie dasselbe.

Die Baconbal sind blauschwarze Salamander mit weit auseinander liegenden Glubschaugen, die blubbernd sprechen und Schwimmhäute zwischen den Fingern haben. Ihr unerfahrener Pilot rammt fast die ODYSSEUS, war sichtlich noch nie im Raumanzug draußen und reagiert mit panischem Entsetzen auf die verwinkelte Enge des Tiuphorenschiffs. Doch die große Klappe seines Volkes lässt ihn durchhalten: Er plappert, bis das Übersetzungsgerät funktioniert und bringt die Drei zu einem Festmahl auf der GRENZENLOSES STREBEN. Perry Rhodan preist Technik und Ethik der Baconbal, und die wollen im Gegenzug die ODYSSEUS mit zu ihrer Heimatwelt nehmen. Kommodore Vac möchte den Ruhm ernten, als erster Fremde heimgebracht zu haben.

Abgesehen von ihrem Größenwahn sind die Baconbal harmlos. Auf dem Festmahl lernt Rhodan einen kennen, der ziemlich realistisch denkt: Den leitenden Wissenschaftler der Expedition und Erfinder des Transitionsantriebes, Tomrurd. Der erkennt, wie fortschrittlich die Technik der ODYSSEUS. Er fragt, ob Rhodans Volk dieses Schiff gebaut hat, weil er Spuren der Meister des Mechanischen Ordens sucht, eines sagenhaften Volkes, das aufstrebenden Völkern bei der Entwicklung hilft. Rhodan muss verneinen. Tomrurd ist enttäuscht, denn die Baconbal suchen nach diesen sagenhaften Wesen aus dem Ghelestra-System, deren Hilfe sie gut gebrauchen könnten.

Anstelle ihrer Heimat im Ghelestra-System fand die Besatzung der GRENZENLOSES STREBEN nur einen vergifteten, radioaktiv verseuchten Müllplaneten. Rhodan erkennt die Handschrift der Gyanli, doch von denen haben die Baconbal noch nie etwas gehört.

Die GRENZENLOSES STREBEN bringt die ODYSSEUS zum Planeten Onbal im Purungsystem. Tomrurd erklärt Rhodan all die Antriebsprobleme, von denen der Kommandant nichts weiß. So herrscht in ihrer Gruppe angemessene Erleichterung, als sie nach zweijähriger Abwesenheit am 19. August 1522 NGZ heimkommen. Doch Kommodore Vac wird um seinen Ruhm geprellt: Die ersten Fremden sind schon vor Ort, ein Großraumer der Gyanli umkreist den Planeten. Es ist die HETOTEND mit dem Gesandten Galphan und dem für Onbal zuständigen Orthodox-Operator Yayl an Bord. Alle sind begeistert von ihrer Freundlichkeit.

Rhodan warnt, dass die Gyanli nur der intelligenten Baconbal habhaft werden möchten, ehe sie ihr wahres Gesicht zeigen. Tomrurd und Vac glauben ihnen nicht. Aber sie lassen zu, dass die ODYSSEUS im Orbit des Gasriesen Gnitno versteckt wird. Rhodan, Pey-Ceyan und Leccore kommen mit auf den Planeten und können sich unbemerkt umsehen, während die heimgekehrten Helden in einer eindrucksvollen Parade gefeiert werden: Sie schweben durch die Luft, umgeben von Darstellungen ihrer Lebensgeschichte.

Obwohl Tomrurd auf diese Weise stets im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand, ist er nach der Parade spurlos verschwindet. Die Drei suchen ihn in seiner verlassenen Wohnung, dessen Schlammbecken eingetrocknet und verwahrlost wirkt. Sie entdecken getarnte Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass der Wissenschaftler den Transitionsantrieb keineswegs aus eigener Kraft entwickelt hat, sondern mit Hilfe eines »Gasts«. Einem vom Mechanischen Orden? Ein Gyanli überrascht die Gruppe. Im Kampf tötet Pey-Ceyan den Eindringling. Praktischerweise ist es der Orthodox-Operator Yayl, dessen Identität Leccore sowieso annehmen wollte, um ein Beiboot der Gyanli zu kapern.

Das von Leccore angefertigte Templat, seine Grundlage für die Gestaltwandlung, enthält die Erinnerungen des Gyanli und damit Informationen über ihre Regierung, die Kohäsion, über das geheimnisumwitterte Operandum und über die besondere Bedeutung des Fluids, jener tranigen Flüssigkeit, die dieses Amphibienvolk für ihre Haut braucht, ihre Regenaration und um darin ihren gemeinsamen Traum zu träumen, an den sich nach dem Aufwachen keiner erinnert. Und er erfährt von einem Gefangenen: Es ist Tomrurds »Gast«, der Wuutuloxo Duxaluk, ein Mitglied des Mechanischen Ordens Er befindet sich als Gefangener in der HETOTEND und wird verhört, denn die Gyanli möchen den Orden auslöschen. Er stört sie. Sicher ist Tomrurd auch dort.

Der in Yayl verwandelte Leccore bringt Rhodan und Pey-Ceyan als gefangene Fremdwesen in die HETOTEND. Pey-Ceyan, die als Lebenslichte besonders viel Empathie besitzt, spürt Tomrurd und Duxaluk auf. Der Wuutuloxo hat einen gedrungenen, annähernd würfelförmigen Leib mit einer Seitenlänge von etwa anderthalb Metern. Vier kurze Säulenbeinen mit krallenbewehrten Klauenfüßen sorgen für sicheren Stand. Seine beiden zweigelenkigen Arme knacken bei jeder Bewegung wie trockenes Holz, doch die dreifingrigen Händen wirken feingliedrig und geschickt. Im nach vorne gereckten Schildkrötenschädel sind zwei schwarze Augen in einen kantigen Hornkranz eingebettet und auf der grünlich-braunen lederartigen Haut sitzen wuchtige Stacheln und hornige Aufwölbungen, vor allem an Hals und Kopfansatz. Auf dem Schädel sprießt Moosartiges. Die tiefe Stimme klingt heiser und angenehm. (vgl. S.60).

Sobald er seinen Mantel hat, der wie aus dickem Band geflochten wirkt mit sechs Löchern für Arme und Beine, und seinen »Handhabe« genannten Tornister mit Wundertechnik, kann er das ganze Schiff manipulieren. Und das, obwohl er nur ein Zweitmechaniker ist, kein Erstmechaniker. Für die Gyanli reicht es. Die Gruppe entkommt, schnappt sich ein Beiboot, holt die ODYSSEUS und begibt sich auf den Weg zum Orden, in das 282 Lichtjahre entfernte Safaanusystem.

Die Geschichte ist eigentlich sehr einfach und bildet noch dazu Perry Rhodans Erstkontakt mit der technisch überlegenen Zivilisation der Arkoniden, mit dem alles begann, spiegelbildlich verkehrt ab. Man trifft gefährliche Amphibien und lächerlich selbstbewusste Salamander, dann einen Knisterwürfel mit Zaubertechnik. Der Roman lebt von der Konkretheit der Darstellung, durch die sich das Personal lebendig entfalten kann, und die klar strukturierten Abläufe der Handlung, und davon lebt er sehr gut.